GEOMETRISCHE OPTIK

von Millonig Andreas

In der geometrischen Optik wird die Wellennatur des Lichtes vernachlässigt und von der Annahme ausgegangen, dass sich Lichtstrahlen geradlinig ausbreiten. Der Verlauf von Lichtstrahlen in einem optischen System wird durch die Spiegelungs- und Brechungsgesetze festgelegt. Folglich geht es in diesem Gebiet der Optik u. a. um die Anwendung der Gesetze von Lichtreflexion und -brechung beim Entwurf von Linsen (siehe auch unten) sowie anderen Bestandteilen von optischen Geräten (z. B. Prismen, Spiegeln).

1.   Reflexion und Brechung

 
Wenn ein Lichtstrahl, der durch ein homogenes Medium läuft, auf die Oberfläche eines zweiten homogenen Mediums trifft, so wird ein Teil des Lichtes reflektiert und ein Teil kann als gebrochener Strahl in das zweite Medium eindringen und dort entweder absorbiert werden oder nicht. Die Menge des reflektierten Lichtes hängt vom Verhältnis der Brechungsindizes der beiden Medien ab. Die Einfallsebene ist definiert als die Ebene, die den einfallenden Strahl und die Senkrechte zur Ebene im Einfallspunkt enthält (siehe Abb. 1).

Der Einfallswinkel ist der Winkel zwischen dem einfallenden Strahl und dieser Senkrechten. Reflexions- und Brechungswinkel sind entsprechend definiert. Die Reflexionsgesetze besagen, dass der Reflexionswinkel genau so groß ist wie der Einfallswinkel und dass der einfallende Strahl, der reflektierte Strahl und die Senkrechte im Einfallspunkt in einer Ebene liegen. Wenn die Oberfläche des zweiten Mediums glatt ist, kann sie wie ein Spiegel wirken und ein Spiegelbild produzieren (Abb. 2).

Die Lichtquelle in Abbildung 2 ist der Körper A, und von einem Punkt auf A gehen Strahlen in alle Richtungen. Die beiden Strahlen z. B., die den Spiegel bei B und C treffen, werden als Strahlen BD und CE reflektiert. Für einen Beobachter vor dem Spiegel scheinen diese Strahlen von einem Punkt F hinter dem Spiegel zu kommen. Aus den Reflexionsgesetzen folgt, dass CF und BF mit der Oberfläche des Spiegels den gleichen Winkel bilden wie AC und AB. So scheint in diesem Fall eines ebenen Spiegels das Bild des Gegenstandes genau so weit hinter dem Spiegel zu liegen, wie der Gegenstand davor liegt.

Wenn die Oberfläche des zweiten Mediums rau ist, dann liegen die Senkrechten zu verschiedenen Punkten der Oberfläche in beliebigen Richtungen. In diesem Fall können Strahlen, die von einer punktförmigen Quelle ausgehen und in der gleichen Ebene liegen, dennoch in verschiedenen Einfalls- und daher auch Reflexionsebenen liegen. Dadurch werden sie gestreut und liefern somit kein Spiegelbild.

Wahrnehmung eines reflektierten Objekts

Lichtstrahlen der Quelle A treffen an den Punkten C und B auf eine Spiegelfläche, von der sie reflektiert werden. Das Auge beobachtet sie an E und D – da es aber die Tatsache der Reflexion nicht beachten kann, nimmt es sie wahr, als kämen sie direkt von F. Deshalb wird das Bild am Punkt F genau gegenüber des Objektes A wahrgenommen, und zwar in gleicher Entfernung hinter der Spiegelfläche. Daraus folgt, das CF und BF den gleichen Winkel zur Spiegeloberfläche bilden wie AC und AB.

2.   Snellius’sches Gesetz


Dieses wichtige Gesetz wurde nach dem holländischen Mathematiker und Physiker Willebrord Snell van Roijen (Snellius) benannt. Es beschreibt die Brechung eines Lichtstrahles beim Übergang von einem Medium in ein anderes, angrenzendes Medium: Das Produkt aus Brechungsindex und dem Sinus des Einfallswinkels in einem Medium ist gleich dem Produkt aus Brechungsindex und Sinus des Brechungswinkels in einem folgenden Medium. Der einfallende Strahl, der gebrochene Strahl und das Einfallslot zur Grenzfläche im Einfallspunkt liegen in einer Ebene. Im Allgemeinen ist der Brechungsindex einer optisch dichteren, transparenten Substanz größer als der eines weniger dichten Materials. Dies bedeutet, die Lichtgeschwindigkeit in einer optisch dichteren Substanz ist geringer. Für schräg einfallende Strahlen gilt: Ein Strahl, der in ein Medium mit größerem Brechungsindex eintritt, wird zum Lot hin gebrochen. Im Gegensatz dazu wird ein Strahl, der in ein Medium mit kleinerem Brechungsindex eintritt, vom Lot weg gebrochen. Senkrecht einfallende Strahlen werden entlang des Lotes reflektiert und gebrochen.


Für einen Beobachter in einem dünneren Medium wie z. B. Luft scheint ein Körper in einem dichteren Medium näher an der Grenzfläche zu liegen, als dies tatsächlich der Fall ist. Ein geläufiges Beispiel zeigt Abbildung 3:

Ein Gegenstand, der unter Wasser liegt, wird von einem Punkt über dem Wasser aus betrachtet. Die schräg einfallenden Strahlen sind nur aus Gründen der einfacheren Darstellung gewählt worden. Der Strahl DB, der vom Körper bei D ausgeht, wird vom Lot weg in Richtung A gebrochen. Daher scheint der Körper bei C zu liegen, wo die Gerade ABC eine zur Oberfläche das Wassers senkrechte Gerade schneidet, die ihrerseits durch D verläuft.

Abbildung 4 zeigt den Weg von Lichtstrahlen, die durch mehrere Medien mit parallelen Grenzen gehen.

Der Brechungsindex von Wasser ist kleiner als der von Glas. Da der Brechungsindex des ersten und des letzten Mediums derselbe ist, tritt der Strahl parallel zum einfallenden Strahl AB aus, ist jedoch seitlich verschoben.

3.   Prisma  

Beim Durchgang von Licht durch ein Prisma, also einen transparenten Körper mit flachen, glatten Oberflächen, ist der austretende Strahl nicht mehr parallel zum einfallenden Strahl. Da der Brechungsindex einer Substanz für verschiedene Wellenlängen unterschiedlich ist, kann ein Prisma die verschiedenen Wellenlängen des Lichtes, die in einem einfallenden Strahl enthalten sind, auffächern. Das Ergebnis ist ein Spektrum. In Abbildung 5 ist der Winkel CBD zwischen dem Weg des einfallenden Strahles und dem Weg des austretenden Strahles der Abweichungswinkel.

Die Abweichung ist am geringsten, wenn der Winkel des einfallenden Strahles gleich dem Winkel des austretenden Strahles ist. Der Brechungsindex eines Prismas lässt sich durch Messung des Winkels der minimalen Abweichung und des Winkels zwischen den Seiten des Prismas berechnen.

4.   Kritischer Winkel  

Ein Strahl wird vom Lot weg gebrochen, wenn er in ein dünneres Medium eintritt. Die Abweichung vom Lot nimmt mit größer werdendem Einfallswinkel zu. Beide Verhältnisse ermöglichen einen so genannten kritischen Winkel. Das ist der Einfallswinkel, bei dem der gebrochene Strahl einen Winkel von 90 Grad zum Lot bildet, und außerdem an der Grenze zwischen beiden Medien entlangläuft. Wenn der Einfallswinkel über den kritischen Winkel hinaus vergrößert wird, kommt es zur vollständigen Reflexion. Diese Totalreflexion erscheint nicht, wenn Licht von einem dünneren in ein dichteres Medium eintritt. Die drei Zeichnungen in Abbildung 6 zeigen gewöhnliche Brechung, Brechung im kritischen Winkel und Totalreflexion.

In jüngster Vergangenheit wurde eine neue Anwendung der Totalreflexion in der Praxis gefunden: die Faseroptik (auch Fiberoptik). Wenn Licht an einem Ende in eine feste Glas- oder Plastikröhre eintritt, kann es an der Grenzfläche der Röhre vollständig reflektiert werden und nach mehreren Totalreflexionen am anderen Ende austreten. Glasfasern können mit einem sehr kleinen Durchmesser hergestellt und mit einem Material, das einen kleineren Brechungsindex hat, beschichtet werden. Sie können zu flexiblen Bündeln zusammengefasst oder zu Blöcken vergossen werden. Derartige Faserbündel setzt man beispielsweise zur Bildübertragung ein. Die flexiblen Bündel, die auch für Beleuchtungszwecke dienen, leisten bei medizinischen Untersuchungen wertvolle Dienste: Sie können durch Engstellen und sogar durch Blutgefäße geführt werden.

5.   Sphärische und asphärische Oberflächen  

Der größte Teil der traditionellen Terminologie der geometrischen Optik wurde mit Bezug auf die Reflexion und Brechung an sphärischen Oberflächen (Kugeloberflächen) entwickelt. Manchmal sind jedoch auch asphärische (deformierte, nichtkugelförmige) Oberflächen beteiligt. Die optische Achse ist eine Bezugslinie, die eine Symmetrieachse darstellt. Die optische Achse verläuft durch das Zentrum einer sphärischen Linse oder eines sphärischen Spiegels und durch das Krümmungszentrum. Wenn ein dünnes Strahlenbündel sich entlang der optischen Achse bewegt und auf die sphärische Oberfläche eines Spiegels oder einer dünnen Linse trifft, werden die Strahlen so reflektiert oder gebrochen, dass sie sich in einem Punkt auf der optischen Achse schneiden oder zu schneiden scheinen. Den Abstand zwischen diesem Punkt und dem Spiegel oder der Linse nennt man Brennweite. Bei dicken Linsen werden Berechnungen mit Bezug auf so genannte Hauptebenen anstelle der Linsenoberfläche angestellt. Eine Linse mit zwei unterschiedlichen Oberflächen kann zwei Brennweiten haben, je nachdem, auf welche Oberfläche das Licht zuerst trifft. Wenn sich ein Körper im Brennpunkt befindet, dann sind die von ihm ausgehenden Strahlen nach der Reflexion oder Brechung parallel zur optischen Achse. Wenn Strahlen durch eine Linse oder einen Spiegel konvergiert werden (konvergieren: zusammenlaufen), so dass sie sich davor schneiden, dann ist das Bild real und invertiert (auf dem Kopf stehend). Beim genau entgegengesetzten Fall divergieren die Strahlen nach der Reflexion oder Brechung (divergieren: auseinander laufen), so dass sie von einem Punkt zu kommen scheinen, den sie in Wirklichkeit nicht durchlaufen haben. Das Bild ist dann aufrecht und wird als virtuell bezeichnet. Das Verhältnis der Höhe des Bildes zur Höhe des Gegenstandes ist die laterale Vergrößerung.

Wenn man die Entfernungen von der Oberfläche einer Linse oder eines Spiegels in der Richtung, in die sich das Licht bewegt, als positiv, und Entfernungen in die andere Richtung als negativ bezeichnet, dann gilt, wenn u die Objektentfernung, v die Bildentfernung und f die Brennweite eines Spiegels oder einer dünnen Linse ist, die Gleichung

1/v + 1/u = 1/f

für sphärische Spiegel und die Gleichung

1/v - 1/u = 1/f

für sphärische Linsen. Wenn eine einfache Linse Oberflächen mit den Radien r1 und r2 hat und wenn das Verhältnis ihres Brechungsindex zu dem des umgebenden Mediums n ist, dann gilt

1/f = (n - 1) (1/r1 - 1/r2)

Die Brennweite eines sphärischen Spiegels entspricht dem halben Krümmungsradius.

Wie aus Abbildung 7 ersichtlich, wird ein dünnes Strahlenbündel, das sich entlang der optischen Achse bewegt und auf einen Hohlspiegel (auch Konkavspiegel) mit seinem Krümmungszentrum bei C trifft, so reflektiert, dass sich die Strahlen bei B, auf halber Strecke zwischen A und C schneiden. Wenn die Entfernung eines Objekts größer als die Entfernung AC ist, dann ist die Abbildung real, invertiert und verkleinert. Wenn das Objekt zwischen dem Krümmungszentrum und dem Brennpunkt liegt, dann ist die Abbildung real, invertiert und vergrößert. Liegt das Objekt zwischen der Oberfläche des Spiegels und dem Brennpunkt, dann ist die Abbildung virtuell, aufrecht und vergrößert. Ein konvexer Spiegel bildet nur virtuell, aufrecht und verkleinert ab, solange er nicht zusammen mit anderen optischen Einrichtungen kombiniert wird.

6.   Linsen

Lupe

Erst wenn der Brennpunkt der konvexen Linse, die den Strahlengang des betrachteten Objekts bricht, genau auf der Netzhaut liegt, entsteht ein vergrößertes und scharfes Abbild auf der Retina.


Linsen, deren Oberflächen kleine Radien haben, besitzen kurze Brennweiten. Eine Linse mit zwei konvexen Oberflächen bricht ursprünglich parallel zur optischen Achse laufende Strahlen immer so, dass sie in einem Brennpunkt auf der dem Objekt gegenüberliegenden Linsenseite zusammenlaufen. Im Gegensatz dazu streut eine konkave Linse einfallende Strahlen, die ursprünglich parallel zur Achse waren. Wenn die zweite Oberfläche der Linse nicht konvex und stärker gekrümmt ist als die erste, dann laufen die Strahlen auseinander. Sie scheinen von einem Punkt zu kommen, der auf der gleichen Seite wie das Objekt liegt. Derartige Linsen bilden nur virtuell, aufrecht und verkleinert ab.


Wenn die Entfernung des Objekts größer als die Brennweite ist, dann bildet eine konvergierende Linse real und invertiert ab. Bei ausreichendem Abstand des Objekts von der Linse ist die Abbildung kleiner als das Objekt. Ist die Entfernung des Objekts kleiner als die Brennweite dieser Linse, dann erhält man eine virtuelle Abbildung, die aufrecht und größer ist als das Objekt. Diesen Fall findet man beim Vergrößerungsglas oder im einfachen Mikroskop verwirklicht. Der von diesem virtuellen vergrößerten Bild dem Auge dargebotene Winkel (d. h. die scheinbare Winkelgröße) ist größer als der Winkel, unter dem das Objekt erscheinen würde, wenn es in normaler Sichtweite wäre. Das Verhältnis dieser beiden Winkel gibt den Vergrößerungsfaktor der Linse an. Eine Linse mit einer kürzeren Brennweite würde ein virtuelles Bild mit einem größeren Winkel erzeugen und hätte damit einen höheren Vergrößerungsfaktor. Der Vergrößerungsfaktor eines optischen Geräts ist ein Maß für seine Eigenschaft, das Objekt näher am Auge erscheinen zu lassen. Dies ist zu unterscheiden von der lateralen Vergrößerung einer Kamera (siehe Photographie) oder eines Teleskopes. Hier nimmt das Verhältnis der tatsächlichen Größe einer realen Abbildung zu der des Objekts mit der Brennweite zu.

Je größer der Durchmesser einer Linse, desto größer wird die Lichtmenge, die sie aufzunehmen vermag. Die Fläche, die von einer Abbildung eingenommen wird, ist proportional (verhältnisgleich) zum Quadrat der Brennweite der Linse. Dadurch ist die Lichtintensität im Abbildungsbereich direkt proportional zum Linsendurchmesser und indirekt proportional zum Quadrat der Brennweite. Ein Zahlenbeispiel: Ein Bild soll von einer Linse mit drei Zentimeter Durchmesser und einer Brennweite von 20 Zentimetern abgebildet werden. Genau dieses Bild besitzt ein Viertel der Helligkeit des Bildes, das durch eine Linse mit gleichem Durchmesser und einer Brennweite von nur zehn Zentimetern entsteht. Das Verhältnis von Brennweite zum wirksamen Durchmesser einer Linse ist ihre Lichtstärke, die so genannte f-Zahl. Den Kehrwert dieses Verhältnisses bezeichnet man als relative Öffnung. Linsen mit gleicher relativer Öffnung haben die gleiche Eigenschaft Licht zu sammeln. Ihr tatsächlicher Durchmesser oder ihre Brennweite brauchen dabei nicht berücksichtigt zu werden.

7.   Aberration

Aberration des Lichtes

Linke Bildhälfte: Auf Grund der Erdbewegung (hier von links nach rechts) und der endlichen Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lichtes erscheint dem Betrachter der Stern S1 um den Aberrationswinkel á nach S2 verschoben. Rechte Bildhälfte: Stehen Bewegungsrichtung der Erde und die Einfallsrichtung des Lichtstrahles rechtwinklig zueinander, nimmt der Aberrationswinkel á den größtmöglichen Wert (20,5¢¢) ein.


Nach der geometrischen Optik werden Lichtstrahlen, die von einem Punkt ausgehen, durch sphärische optische Elemente im Idealfall als Punkt abgebildet. In der Realität haben die äußeren Teile einer sphärischen Oberfläche eine andere Brennweite als der innere Bereich. Dieser Unterschied lässt die Abbildung eines Punktes als kleinen Kreis erscheinen. Der Unterschied der Brennweiten verschiedener Teile der sphärischen Oberfläche bezeichnet man als sphärische Aberration. Wenn ein konkaver Spiegel kein Teil einer Kugel sondern ein Ausschnitt aus einer so genannten Rotationsparabel (siehe Parabel) ist, werden parallel einfallende Strahlen von allen Bereichen der Oberfläche ohne sphärische Aberration an einem Punkt reflektiert. Kombinationen von konvexen und konkaven Linsen können zur Korrektur der sphärischen Aberration beitragen, jedoch kann dieser Defekt nicht von einer einzelnen Linse für einen realen Gegenstand und seine Abbildung ausgeglichen werden.

Unterschiede in der lateralen Vergrößerung von Strahlen, d. h. von der Seite eintreffender Strahlen, nennt man Asymmetriefehler oder Koma. Anders ausgedrückt liegen die Punkte, von denen die Strahlen ausgehen, nicht auf der optischen Achse. Das Abbild wird zu einem ovalen Fleck verzerrt. Daher erscheint das Bild eines ausgedehnten Gegenstandes verschwommen. Die Koma kann durch geeignete Oberflächenwahl für ein einzelnes Paar von Objekt- und Abbildungspunkt eliminiert werden. Dies gelingt jedoch nicht für alle derartigen Punkte. Paare aus Objekt- und Abbildungspunkt, die weder sphärische Aberration noch Koma aufweisen, bezeichnet man auch als aplanare Punkte. Eine Linse, die ein solches Punktepaar aufweist, wird als aplanare Linse bezeichnet.

Beim Astigmatismus oder Zweischalenfehler wird das Licht, das von einem Objektpunkt außerhalb der Achse kommt, längs der optischen Achse verzerrt. Wenn das Objekt z. B. eine vertikale Linie ist, so wird der Querschnitt des gebrochenen Strahlenbündels in größer werdenden Entfernungen von der Linse zu einer Ellipse. Bildlich und mit einfachen Worten gesprochen sieht ein Beobachter hinter der Linse zuerst eine horizontal liegende Ellipse (um 90 Grad gekippt), die zu einer Linie (sagittalen Bildlinie) zusammenfällt. Mit weiterem Abstand weitet sich die Linie wieder aus und wird dann zu einer vertikal liegenden Ellipse (wieder um 90 Grad gekippt). Diese fällt am Ende ebenfalls zu einer Linie (meridionale Bildlinie) zusammen. Die Verbindungslinien zwischen den beiden Bildlinien bezeichnet man als Bildschalen, den Abstand zwischen den zugehörigen meridionalen und sagittalen Bildlinien nennt man astigmatische Differenz. Wenn die Punkte eines flachen Objekts nicht in einer Ebene, sondern auf einer gekrümmten Bildfläche abgebildet werden, spricht man von Bildfeldkrümmung. Eine so genannte Verzeichnung (auch Distorsion) stammt von einer Veränderung der Vergrößerung mit dem Abstand von der Achse und wird nicht durch einen Mangel an Schärfe in der Abbildung verursacht. Beispielsweise wird ein Quadrat mit nach innen gewölbten Seiten (kissenförmige Verzeichnung) oder nach außen gewölbten Seiten (tonnenförmige Verzeichnung) abgebildet.

Da sich der Brechungsindex mit der Wellenlänge ändert, ändert sich auch die Brennweite einer Linse und verursacht eine längsgerichtete oder axiale chromatische Aberration. Bei einer chromatischen Aberration erscheinen die Ränder des Bildes farbig. Jede Wellenlänge ruft Abbildungen mit jeweils leicht unterschiedlicher Größe hervor. Dadurch entsteht die so genannte seitliche chromatische Aberration. Kombinationen von konvergierenden und divergierenden Linsen und Glasteilen mit verschiedenen Dispersionen tragen zur Minimierung der chromatischen Aberration bei. Spiegel weisen diesen Defekt nicht auf. Im Allgemeinen ist bei achromatischen Linsenkombinationen die chromatische Aberration für zwei oder drei Farben korrigiert.

8.   Abbildungsfehler

Ein Begriff aus der Optik welcher die Abweichung einer realen Linse von der theoretisch optimalen Linse beschreibt.

Eine ideale Linse bildet jeden Objektpunkt eindeutig auf einen einzigen Bildpunkt ab. Weiterhin werden alle Punkte, die auf einer Ebene senkrecht zur Linsenachse liegen, ebenso auf eine Ebene abgebildet, die wiederum senkrecht zur Linsenachse liegt.

Eine reale Linse erfüllt diese Bedingungen nur näherungsweise. Dies hat zwei Ursachen: Zum einen schneiden sich aufgrund der Brechungsgesetze die Strahlen, die von einem Objektpunkt ausgehend durch die Linse gehen nicht exakt in einem einzigen Bildpunkt. Zum anderen verhält sich eine Linse nicht exakt nach den geometrischen Brechungsgesetzen. Stattdessen werden Lichtwellen verschiedener Frequenz (verschiedener Farben) verschieden abgelenkt (optische Dispersion). Hinzu kommt, dass die geometrische Optik, auf deren Gesetzen eine ideale Linse eigentlich basiert, nur eine Näherung der Wellenoptik ist, welche das Licht physikalisch treffender beschreibt. Einen wesentlichen Beitrag zur Systematisierung der verschiedenen Arten von Abbildungsfehlern realer Linsen stammt von L. P. Seidl (1821-1896).

Seidl unterschied sieben Arten von Abbildungsfehlern. Die ersten fünf Arten lassen sich schon aus den Gesetzen der geometrischen Optik ableiten:

1.       Bildwölbung (Krümmung der Bildebene). Objektpunkte, die auf einer Ebene liegen, werden nicht wieder auf eine Bildebene abgebildet, sondern auf eine leicht gekrümmte Fläche.

2.       Verzeichnung (Distorsion). Eine Art der Verzerrung des Bildes. Ein extremes Beispiel für Distorsion ist eine Fischaugenlinse, welche etwa in Türspionen benutzt wird. Außen befindliche Gegenstände werden im Bild nach innen gedrückt.

3.       Sphärische Aberration. Linsen haben aus Herstellungsgründen meist kugelförmige Oberflächen. Kugelförmige Linsen bilden aber einen Objektpunkt, der nicht im Kugelmittelpunkt liegt, nicht auf einen einzigen Bildpunkt ab.

4.       Koma (Asymmetriefehler).

5.       Astigmatismus. Astigma bedeutet soviel wie „ohne Punkt”. Ein punktförmiges Objekt wird strich- bzw. stabförmig abgebildet.

6.       Farbortsfehler. Verschiedene sichtbare Farben (etwa Rot und Grün) werden auf leicht unterschiedliche Stellen abgebildet.

7.       Farbvergrößerungsfehler. Auch jede sichtbare Farbe an sich (etwa Rot) besteht aus einer Überlagerung mehrerer Frequenzen.

Die beiden letzten Arten von Abbildungsfehlern liegen darin begründet, dass verschiedene Frequenzen in der Linse verschieden abgelenkt werden. Da jede sichtbare Farbe üblicherweise aus einer Überlagerung verschiedener Frequenzen besteht, wird daher ein Objektpunkt nicht exakt auf einen