WILLKOMMEN

Liebe Schülerin, lieber Schüler!

Für Dich ist diese Seite gemacht worden. Sie soll Dein Interesse an der Physik steigern helfen und Dich im Unterricht unterstützen.

Als besonderen Service bieten wir seit 2013 eine digitale Ausgabe der Zeitung "Spektrum der Wissenschaft" an!

Du findest einen PDF-File im Laufwerk G im Verzeichnis Bibliothek.

Eine Weitergabe an Dritte ist nicht zulässig!

 

Was ist eigentlich so "toll" an der Physik? Am besten erklärt das ein Nobelpreisträger:

Richard Feynman.

Es wird angenommen, dass der Leser an der Physik interessiert ist. Das ist natürlich nicht notwendigerweise der Fall, aber es ist eine Annahme, die jeder Professor in jedem Fachgebiet macht. Wenn man Physiker werden will, dann hat man viel zu studieren: zweihundert Jahre des sich am schnellsten entwickelnden Wissensgebietes, das es gibt. So viel Wissen, dass man denkt, nicht alles in vier Jahren lernen zu können; und man kann es gewiss nicht. Man wird auch fortgeschrittene Studien durchführen müssen.

Erstaunlicherweise ist es trotz der so umfangreichen Arbeit, welche in der Physik geleistet wurde, möglich, die außerordentlich große Anzahl von Resultaten zu einem großen Teil zu kondensieren, d. h. Gesetze zu finden, die all unser Wissen zusammenfassen. Trotzdem sind die Gesetze schwer zu verstehen.

Man kann sich fragen,warum wir nicht Physik unterrichten können, indem wir auf Seite eins die Grundgesetze aufzeichnen und danach zeigen, wie sie unter allen möglichen Umständen funktionieren, wie wir es ja zum Beispiel im Falle der Euklidischen Geometrie tun, wo wir alle Axiome am Anfang bringen und dann alle Arten von Schlüssen ziehen.

Wir können aber aus zwei Gründen nicht so vorgehen. Erstens kennen wir noch gar nicht alle Grundgesetze: Die Grenze unserer Ignoranz verschiebt sich ununterbrochen. Zweitens beinhaltet die genaue Formulierung der Gesetze der Physik einige sehr ungewöhnliche Ideen, zu deren Beschreibung höhere Mathematik erforderlich ist. Darum ist ein beachtliches vorbereitendes Training nötig, um wenigstens zu verstehen, was die verwendeten Wörter bedeuten. Also ist es nicht möglich, jenen Weg zu beschreiten. Wir müssen Schritt um Schritt in die Physik eindringen.

Jedes Stück oder Teil der gesamten Natur ist immer nur eine Approximation an die gesamte Wahrheit oder an die gesamte Wahrheit wie wir sie kennen. Tatsächlich ist alles, was wir wissen, eine Approximation, weil wir wissen, dass uns noch nicht alle Gesetze bekannt sind. Darum müssen auch viele Dinge gelernt werden, die später wieder "umgelernt" oder korrigiert werden müssen.

Das Prinzip der Wissenschaft, fast die Definition, ist folgendes: Das Experiment ist der Prüfstein allen Wissens. Das Experiment ist der einzige Richter über wissenschaftliche "Wahrheit". Aber was ist die Quelle von Wissen? Woher stammen die Gesetze, welche geprüft werden sollen? Das Experiment selber hilft uns, die Gesetze aufzustellen, in dem Sinn, dass es uns Hinweise gibt. Jedoch benötigen wir auch die Phantasie, um aus den Hinweisen die großen Verallgemeinerungen zu finden; um die wunderbaren, einfachen und sonderbaren Gesetzmäßigkeiten hinter den Dingen zu erraten und danach durch das Experiment zu prüfen, ob wir richtig geraten haben. Dieser Prozess der Phantasie ist so kompliziert, dass eine Arbeitsteilung in der Physik notwendig wurde: Da gibt es die theoretischen Physiker, welche Vorstellungen entwickeln, Schlüsse ziehen und - ohne zu experimentieren - neue Gesetze erraten; weiterhin gibt es die Experimentalphysiker, welche experimentieren, Vorstellungen entwickeln, schließen und raten.

Wir haben gesagt, dass die Naturgesetze nur angenähert richtig sind: dass wir zuerst die "falschen" und danach die "richtigen" finden. Wie kann aber ein Experiment "falsch" sein? Zunächst einmal auf ganz triviale Weise durch unbemerkte Fehler an den Messapparaturen. Aber diese Dinge können leicht behoben und durch wiederholte Kontrollen eliminiert werden. Wenn wir von solchen primitiven Dingen absehen, wie können dann noch immer die Resultate eines Experimentes falsch sein? Nur indem diese ungenau sind. Z. B. scheint sich die Masse eines Objektes nie zu ändern: Ein rotierender Kreisel hat das gleiche Gewicht wie der ruhende Kreisel. Also wurde ein "Gesetz" erfunden: Die Masse ist konstant, unabhängig von der Geschwindigkeit. Von diesem "Gesetz" wissen wir jetzt, dass es nicht zutrifft. Die Masse nimmt mit zunehmender Geschwindigkeit zu, jedoch entstehen merkliche Massenzunahmen erst bei Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit. Ein Richtiges Gesetz lautet also: Wenn ein Objekt mit einer Geschwindigkeit geringer als einhundertsechzig Kilometer pro Sekunde bewegt wird, ist die Masse bis auf ein Millionstel konstant. In einer solchen approximierten Form ist dies ein gültiges Gesetz. Also wird mancher in der Praxis denken, dass die neue Form des Gesetzes keine wesentliche Änderung darstellt. Darauf kann man sowohl mit ja als auch mit nein antworten. Bei normalen Geschwindigkeiten können wir das geänderte Gesetz vergessen und das einfache Gesetz von der konstanten Masse als eine gute Approximation benutzen. Aber bei hohen Geschwindigkeiten ist dies falsch, und je größer die Geschwindigkeit, desto ungenauer ist es.

Schließlich, und das ist sehr interessant, liegen wir philosophisch vollkommen falsch mit der angenäherten Form des Gesetzes. Unser gesamtes Weltbild muss geändert werden, selbst wenn sich die Masse nur geringfügig ändert! Es ist eine eigenartige Sache mit der Philosophie oder den Ideen hinter den Gesetzen. Selbst ein sehr geringfügiger Effekt verlangt mitunter grundsätzliche Änderungen unserer Vorstellungen.

Was sollen wir nun zuerst lehren? Sollen wir das korrekte, aber unvertraute Gesetz mit seinen eigenartigen und schwierig zu begreifenden Ideen (wie wir es z. B. in der Relativitätstheorie, im vierdimensionalen Raum-Zeit-System usw. vorliegen haben) lehren? Oder sollen wir zuerst das einfache Gesetz von der "konstanten Masse", welches nur einfache Vorstellungen beinhaltet und eine Näherung darstellt, bringen? Der erste Weg ist sicher aufregender und wunderbarer und macht mehr Spaß. Jedoch ist der zweite Weg leichter zu beschreiten, und er ist ein erster Schritt zu einem echten Verständnis der umfassenderen Vorstellung. Dieser Gesichtspunkt taucht beim Unterrichten der Physik immer wieder auf. Zu verschiedenen Zeiten werden wir verschieden vorgehen, aber es ist in jedem Abschnitt wertvoll, zu lernen, was jetzt bekannt ist, wie exakt es ist, wie es sich in alles andere einfügt und wie es geändert werden muss, wenn wir mehr wissen.