Wie Strahlung aus dem All die Erde beeinflusst

Das Wetter gilt den meisten als eine höchst irdische Angelegenheit - doch der Fortschritt in der Satellitentechnik hat in den vergangenen Jahren zu immer genaueren Daten aus dem Weltall geführt: Die Forschungsergebnisse der letzten Jahre belegen demnach zweifelsfrei, dass Strahlung aus dem All die Erde beeinflusst - und zwar stärker, als viele Experten bislang angenommen hatten. Dieses Phänomen wird umschrieben mit dem schlichten Namen "Weltraumwetter".

"Weltraumwetter wird durch die kosmische Strahlung unseres Zentralgestirns oder die anderer Sterne verursacht", erklärte kürzlich Frank Jansen von der Universität Greifswald bei einer ESA-Veranstaltung zum Thema "Weltraumwetter".

"In der Magnetosphäre sowie der Ionosphäre der Erde werden so Wechselwirkungen mit den dort vorhandenen Feldern und geladenen Teilchen erzeugt. Die dabei verursachten Phänomene in der Umgebung der Erde werden als Weltraumwetter bezeichnet", so der Experte weiter.

Darunter fallen alle außerirdischen Ereignisse, die sich auf das irdische Leben auswirken - auf die Funktionstüchtigkeit technischer Systeme ebenso, wie auch auf die Gesundheit von Menschen. Die Auswirkungen sind vielfältig - die meisten gelten als wissenschaftlich bewiesen, an anderen wird noch geforscht.

Die Auswirkungen solcher Wechselwirkungen reichen von Elektronikpannen, Unterbrechungen im Nachrichten- und Navigationsverkehr, Stromausfällen in der Energieversorgung bis hin zu Störungen im Bahnverkehr. Weltraumwetter stört den Handyempfang, macht Satelliten unbrauchbar, gefährdet Raumfahrer und Flugzeugbesatzungen, bringt Stromleitungen und Flugzeugelektronik aus dem Takt, lässt Öl- und Gaspipelines korrodieren, Trafostationen explodieren und vieles mehr.

Das berühmteste Ereignis fand am 13. März 1989 in Kanada statt. Schwere Magnetstürme verursachten die magnetische Sättigung von Transformatoren im Quebec-Kraftwerkssystem. Das führte zur Selbstabschaltung und Spannungsoszillationen im Netz, was schließlich den Zusammenbruch des gesamten Stromnetzes in Quebec bewirkte.

Verursacher der verschiedenen Phänomene ist meist die Sonne. Das Zentralgestirn der Erde versorgt uns nicht nur mit lebensnotwendiger Wärme und Licht, wenn auf ihr so genannte Sonnenstürme toben, dann entstehen etwa die bekannten und spektakulären Polarlichter.

Bei der ESA dient beispielsweise das Sonnenobservatorium SOHO - ein Gemeinschaftsprojekt mit der NASA - dazu, die Aktivitäten der Sonne genau zu beobachten. Aus einer Entfernung von 1,5 Millionen Kilometern - nach astronomischen Maßstäben also aus nächster Nähe - sammelt der Satellit wichtige Daten.

SOHO (Solar and Heliospheric Observatory) hat etwa im Juli beeindruckende Bilder eine riesigen solaren Eruption geliefert, die mit eine Länge von mehr als 30 Erddurchmessern von der Sonne weg in den umliegenden Raum explodierte.

Die Sonne emittiert elektromagnetische Strahlen und energiereiche Teilchenstrahlen, wie den mit Protonen, Elektronen und hochionisierten Atomen beladenen Sonnenwind sowie die solare kosmische Strahlung.

Während die elektromagnetische und die kosmische Strahlung unseren Heimatplaneten in acht Minuten erreichen, treffen die Bestandteile des Sonnenwindes erst nach vier bis fünf Tagen ein.

Neben der Sonne ist auch die so genannte galaktische kosmische Strahlung eine Ursache des Weltraumwetters. Sie stammt von den Sternen der Milchstraße und besteht ebenfalls aus Atomkernen, Protonen und Elektronen, die auf ihrem langen Weg bis zur Erde nahezu auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigen und deshalb hohe Energien besitzen.

Dadurch kann diese Strahlung bis zur Erdoberfläche vordringen, bei Zusammenstößen mit Teilchen der Erdatmosphäre entstehen neue Teilchen: die so genannte sekundäre kosmische Strahlung, die etwa für Flugzeugbesatzungen die Gefahr einer erhöhten Strahlenbelastung bietet.

Dafür, dass die Strahlungen aus dem Weltall nicht alles Leben auf der Erde vernichten, ist das Magnetfeld unseres Planeten verantwortlich, das den Großteil dieser schädlichen Strahlung um die Erde herum leitet.

Bei erhöhter Sonnenaktivität nimmt allerdings die Intensität von Sonnenwind und Strahlung so zu, dass die Wechselwirkungsprozesse in der Ionosphäre stärker werden und geladene Teilchen weit in die Erdatmosphäre vordringen. Das Ergebnis sind die in hohen geographischen Breiten zu beobachtenden Polarlichter.

Die eindringenden geladenen Teilchen induzieren aber auch elektrische und magnetische Felder, die zu Stromflüssen in der Erde bzw. zu Potentialunterschieden führen. In allen leitfähigen Teilen, das können beispielsweise Erdölpipelines oder Stromleitungen sein, fließen deshalb geomagnetisch induzierte Ströme.

Erst in den letzten Jahren mehrten sich auch die Hinweise darauf, dass sich das Weltraumwetter direkt und indirekt auf das irdische Wetter auswirkt: Zum Beispiel die Verringerung der Ozonkonzentration während starker Sonnenaktivität und die Wolkenbildung in der Erdatmosphäre.

Brisant ist die Frage, inwieweit die Sonne einen messbaren Einfluss auf das irdische Klima hat. Gibt es ihn, dann wird nicht nur die herrschende Lehrmeinung des Treibhauseffektes in Frage gestellt - auch die These des menschgemachten Klimawandels könnte dann ins Wanken geraten.

Um all diese offenen Fragen zu klären und den Schutz vor schädlicher Strahlung aus dem All zu verbessern, forschen welteit verschiedenste Organisationen, Institute und Universitäten im Bereich der Weltraumwettervorhersage.

Bei der ESA etwa wurde ein eigenes Space Weather Working Team (SWWT) eingerichtet, das alle Aktivitäten innerhalb der ESA und die Zusammenarbeit mit anderen Teams zu diesem Thema koordiniert. Dazu gehört auch die Einbeziehung von Ergebnissen der ESA-Projekte SOHO und Cluster.

Während SOHO kontinuierlich die Aktivitäten der Sonne erfasst, untersucht das Cluster-Satellitenquartett die Wechselwirkungen zwischen Erdmagnetfeld und Sonnenwind erstmals in dreidimensionaler Verteilung.

Bislang klar ist nur eines: Hinter den Wettererscheinungen sowohl im interplanetaren Raum als auch in der Troposphäre - der "Wetterschicht" der Erde - verbergen sich vielschichtige, schwer fassbare Prozesse, die noch wesentlich komplizierter sind, als man es je vermutet hätte. Für die Forscher gibt es also noch genug zu tun.