Wie kommt das Wissen in die Physik?

Die Labor-Physik ist von "ungeschriebenen Gesetzen" und intuitiven Erfahrungen dominiert, zeigt eine jüngst veröffentlichte empirische Untersuchung an heimischen Uni-Instituten.

Wie erwerben Physiker ihr Wissen? Schlicht und einfach durch Hörsaal-Sitzungen, Studieren dicker Wälzer, vielleicht durch ein bisschen mehr Rechenübungen - dies wäre sicherlich vielfach die erste reflexartige Antwort.

Damit ist keinesfalls gesagt, wie angehende Physiker und wohl auch andere Naturwissenschaftler zum vielleicht noch wichtigeren Labor-"Können", zum Wissen über die experimentelle Praxis gelangen.

Die Praxis der Physik - soziologisch erforscht

Genau dieser Frage sind Experten um den renommierten Wissenschaftsforscher und -historiker Allan Janik in einer umfassenden Fallstudie nachgegangen, die jetzt publiziert wurde. Janik und sein Team haben sich dazu - unüblicherweise - der Methoden der soziologischen Arbeitsforschung bedient. Am Institut für Ionenphysik der Universität Innsbruck und am Institut für Allgemeine Physik der Technischen Universität (TU) Wien haben sie in Form teilnehmender Beobachtung und in Form rund 55 qualitativer Interviews mit Physikern aller "Grade" herauszufinden versucht, "welche Praxis der Physik zugrunde liegt".

Implizites Wissen ist Trumpf

Ein wesentlicher Aspekt ihrer Ergebnisse ist, dass das Laborwissen der Physik so gut wie kaum niedergeschrieben vorliegt, es also fast ausschließlich um "implizites Wissen" oder "tacit knowlegde" geht, das in mühsamer und oft zeitaufwendiger praktischer Erfahrung gelernt werden muss.

Spielen und Einfühlungsvermögen

Eine zentrale Rolle kommt dabei der Beziehung zwischen Wissenden und Lernenden, Insidern und Neueinsteigern zu. Begriffe wie "Spielen", "Fingerspitzengefühl", "Einfühlungsvermögen" etc. erhalten ein zentrales Gewicht. Ihre Ausprägungen werden in den vielen stark erlebnisgefärbten Interviewpassagen deutlich, die das Buch ausführlich dokumentiert und einordnet.

Janik und Co-Autoren zeigen anhand ihres Datenmaterials, dass mündliche, ja non-verbale Beschreibungen und Hinweise in der experimentellen Physik schriftlichen Aufzeichnungen und Anleitungen weit überlegen sind.

Allan Janik, Monika Seekircher, Jörg Markowitsch: Die Praxis der Physik. Lernen und Lehren im Labor. Springer Verlag, Wien/New York (2000).

Allan Janik

Institut für Allgemeine Physik der Technischen Universität (TU) Wien

Institut für Ionenphysik der Universität Innsbruck