Wie das Weltall Sternenleichen schluckt

Astronomen haben schwach leuchtende Sterne beobachtet, die möglicherweise zur dunklen Materie gehören. Die abgekühlten Himmelskörper könnten eines der größten Rätsel der modernen Physik teilweise erklären.

Vor fast 70 Jahren machten Astronomen eine Entdeckung, die ihren Kollegen bis heute Kopfzerbrechen bereitet: Galaxien wie die unsere drehen sich weitaus schneller um ihre Achse, als es die Masse der sichtbaren Sterne erklären könnte. Forscher nehmen deshalb an, dass unsere Galaxie zu über 90 Prozent aus dunkler Materie besteht. Jahrzehntelang stritten sich Wissenschaftler darüber, wo diese obskure Masse zu finden sei - nachweisen ließ sie sich bislang jedoch bestenfalls indirekt.

Nun glauben Astronomen, wenigstens einen Teil der fehlenden Materie entdeckt zu haben. Ein Forscherteam um Ben Oppenheimer von der University of California in Berkeley analysierte Fotoreihen eines eng begrenzten Bereichs am südlichen Himmel. Wie die Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Science" berichten, fanden sie dabei 38 nur schwach leuchtende Weiße Zwerge - stark abgekühlte Sterne im Endstadium ihrer Entwicklung.

Die Astronomen nehmen an, dass die Weißen Zwerge zu einer unsichtbaren Hülle aus dunkler Materie gehören, die unsere Galaxie umgibt. Wenn dieses galaktische Halo so dicht mit leuchtschwachen Sternen besetzt ist, wie es der untersuchte Himmelsausschnitt vermuten lässt, dann müssten die Weißen Zwerge nach den Berechnungen von Oppenheimer und seinen Kollegen mindestens drei Prozent der fehlenden Masse ausmachen, vielleicht sogar bis zu 35 Prozent.

Sternleichen und Fehlzünder

Dieser Anteil an der dunklen Materie wird von Theoretikern den "Machos" zugesprochen - jenen Objekten des galaktischen Halos, zu denen die nun entdeckten Weißen Zwerge gehören. Diese "Massive Compact Halo Objects" bestehen aus normaler, so genannter baryonischer Materie, aus der sich auch die sichtbaren Sterne zusammensetzen. Neben den Weißen Zwergen könnten auch andere Sternleichen wie Schwarze Löcher oder Neutronensterne zu den "Machos" zählen. Braune Zwerge - Fehlzünder, die es wegen ihrer geringen Masse nie zur Kernfusion brachten - gelten ebenfalls als aussichtsreiche Kandidaten.

Den restlichen Teil der dunklen Materie stellen nach Ansicht vieler Wissenschaftler die "Wimps" ("Weakly Interacting Massive Particles"). Diese Gruppe besteht aus exotischen Elementarteilchen, die von der supersymmetrischen Theorie vorhergesagt werden. Die "Wimps" besitzen eine relativ große Masse, kollidieren jedoch kaum mit anderer Materie und sind deshalb, falls es sie überhaupt gibt, nur sehr schwer aufzuspüren. Im hypothetischen Teilchenzoo der "Wimps" finden sich etwa Photinos - schwergewichtige Pendants der Photonen - oder Neutralinos, die leichtesten der Superteilchen.

Einen Haken hatte die Theorie von den "Machos" und "Wimps" jedoch bislang: Weder die einen noch die anderen konnten direkt nachgewiesen werden. Einen Hinweis auf "Machos" fand zwar schon 1995 eine Gruppe um den Astronomen Charles Alcock: Sie registrierte Veränderungen im Licht ferner Sterne, die durch näher gelegene Objekte von der Masse eines Weißen Zwergs hervorgerufen wurden. Doch erst Oppenheimer und seinen Kollegen konnten die "Machos" selbst beobachten. "Das Universum besteht wahrscheinlich zum größten Teil aus dunkler Materie", sagt der Forscher. "Nun können wir sie zum ersten Mal sehen."