Weniger fließt gar nicht

Forscher basteln am kleinstmöglichen Transistor - und gelangen en passant zu einer neuen Definition der Stromstärke

Vor 50 Jahren, im Dezember 1947, präsentierten die Amerikaner John Bardeen, Walter Brattain und William Shockley den ersten Transistor und erhielten für die Erfindung dieses elektrischen Schalters neun Jahre später den Nobelpreis.

Inzwischen sind solche Halbleiter-Bauelemente fester Bestandteil unseres Alltags, ob sie nun in der Waschmaschine, im Fernsehgerät oder im Auto elektrische Signale verstärken. Und wenn auf unseren Schreibtischen Computer mit einer Leistung stehen, die noch vor 15 Jahren allenfalls von zimmergroßen Rechnern geliefert wurde, so liegt das daran, dass inzwischen auf ein einziges Siliziumstückchen mehrere Millionen Transistoren passen.

Deren kleinste Strukturen messen auf einem modernen Chip 250 bis 350 Nanometer (1 Nanometer = 1 Millionstelmillimeter). Und die Grenzen der Miniaturisierung sind noch lange nicht erreicht: Bis wenigstens ins Jahr 2005 wollen die Chip-Hersteller die Strukturlängen alle zwei bis drei Jahre halbieren. Sind heute noch 100000 Elektronen für einen Schaltvorgang des Transistors nötig, werden es bald nur noch einige tausend sein. Etliche Forscher rund um den Globus loten sogar schon die Chancen für einen Ein-Elektron-Transistor aus. Am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart etwa hat eine Gruppe um den Nobelpreisträger Klaus von Klitzing schon welche hergestellt: Modellsysteme allerdings, die noch die Größe eines heutigen Chip-Transistors haben. Und sie funktionieren nur bei sehr tiefen Temperaturen, höchstens einem Zehntelgrad über dem absoluten Nullpunkt von minus 273 Grad Celsius.

Ein herkömmlicher Transistor besteht aus zwei Elektroden, die als Emitter und Kollektor bezeichnet werden, sowie einer "halbleitenden" Schicht dazwischen, neben der eine dritte Elektrode sitzt, das Gate. Der Strom fließt vom Emitter zum Kollektor. Wird Spannung an das Gate gelegt, ändert sich die "Durchlässigkeit" der Zwischenschicht.

So lässt sich der Stromfluss zwischen Emitter und Kollektor über das Gate steuern - ähnlich wie man bei einem Wehr im Fluss über einen kleinen Schieber mit wenig Kraftaufwand den Wasserfluss regulieren kann.

Im Prinzip ist der Ein-Elektron-Transistor ebenso aufgebaut, besteht allerdings aus Aluminium und ist statt mit einer halbleitenden Schicht mit einer winzigen "Elektroneninsel" zwischen den Elektroden ausgerüstet. Zu dieser Insel besteht keine leitende Verbindung, sondern die Elektronen gelangen auf sie durch den sogenannten Tunneleffekt, ein quantenmechanisches Phänomen. Je kleiner eine solche Insel ist, desto stärker stoßen sich die darauf sitzenden, negativ geladenen Elektronen gegenseitig ab, so dass irgendwann keine weiteren mehr Platz finden und der Stromfluss stoppt.

Erst wenn der Experimentator die elektrische Spannung zwischen Emitter und Kollektor erhöht oder zwischen Emitter und Gate anlegt, können die Elektronen diese "Blockade" überwinden. So lässt sich der Fluss einzelner Elektronen steuern. Für diese Steuerung reicht im Extremfall ebenfalls ein einzelnes Elektron, durch das die Spannung am Gate erzeugt wird.

Ist die Insel allerdings relativ groß - wie bei dem Stuttgarter Modell - dann ist die Abstoßung auf ihr nicht stark genug, und die Elektronen überwinden sie allein durch die Wärmeenergie, die in den thermischen Schwingungen des Transistormaterials steckt. Deshalb müssen die Forscher es fast auf den absoluten Nullpunkt abkühlen. Erst bei Abmessungen von wenigen Nanometern ist der Elektronenfluß auch bei Raumtemperatur eindeutig von außen zu steuern.

"Eine Verstärkung elektrischer Signale ist bei derart winzigen Strukturen allerdings kaum möglich", schränkt Jürgen Weis, Mitglied des Klitzing-Teams die praktische Bedeutung des Ein-Elektron-Transistors ein. Die Forscher sehen dessen Zukunft daher in der Grundlagenforschung: Das kontrollierte Herumjonglieren einzelner Elektronen ebnet einen Weg, um die Stromstärke neu zu definieren und zu bestimmen - anhand ihrer kleinsten Ladungseinheit: des einzelnen Elektrons.