Wendelstein soll die Wende bringen

Noch ist die kontrollierte Kernfusion eine Zukunftsvision. Wissenschaftler in Mecklenburg-Vorpommern wollen das ändern: Mit dem Fusionsreaktor "Wendelstein 7-X" soll die Energiequelle der Sonne auf die Erde geholt werden.

Greifswald - Das weltgrößte Forschungsvorhaben zur Kernfusion ist von Bundeskanzler Gerhard Schröder in Greifswald eröffnet worden. In der bezugsfertigen Greifswalder Filiale des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik Garching (IPP) soll versucht werden, analog zu den Vorgängen auf der Sonne aus der Verschmelzung von Atomkernen nutzbare Energie zu gewinnen.

An dem Forschungsreaktor "Wendelstein 7-X" werden mit Aufnahme der praktischen Experimente im Jahr 2006 rund 300 Wissenschaftler beschäftigt sein. Das 600-Millionen-Projekt wird von EU, Bund und dem Land Mecklenburg-Vorpommern gemeinsam finanziert.

Der Bundeskanzler ermunterte die Wissenschaftler, die "langfristige Option Fusionsenergie" offen zu halten. Der Einstieg in eine zukunftsfähige Energieversorgung gelte nach dem Atomkonsens mit den Versorgern mehr denn je. Die Bundesregierung setze dabei neben Einsparmöglichkeiten auf die Innovations- und Entwicklungspotenziale bei den erneuerbaren Energien. Der Beitrag, den die Fusionsenergie leisten könne, sei noch nicht ausgelotet.

Kernstück des auf einer Fläche von 120.000 Quadratmetern hochgezogenen Forschungskomplexes ist eine dickwandige 20 Meter hohe Halle für die Fusionsanlage, in der sich das 15 Meter große Plasmagefäß befindet. Hier soll der Fusionsbrennstoff aus ionisiertem Wasserstoff in einem "magnetischen Käfig" auf sonnenähnliche Temperaturen von über 100 Millionen Grad Celsius aufgeheizt. Bei diesen Temperaturen wandeln sich die Gase zu Plasma um. Im Zuge einer kontrollierten Fusion sollen dann die Wasserstoffisotope Tritium und Deuterium zu einem Heliumkern verschmelzen und dabei große Mengen Energie freigeben.

Aus einem Gramm des Brennstoffes lassen sich durch Kernverschmelzung nach Berechnung von Fachleuten bis 90.000 Kilowattstunden Energie gewinnen. Das entspreche der Verbrennungswärme von etwa zehn Tonnen Kohle.

Kritik an dem Fusionsforschungsvorhaben kam von den Grünen. Der beschlossene Ausstieg aus der Atomenergie müsse auch zu einer Trendwende in der Forschung führen, erklärte der Landesvorstand der Ökopartei in Mecklenburg-Vorpommern.

Es könne nicht angehen, dass für die Fusionsforschung weiterhin Geld ausgegeben werde und die dringend erforderliche Förderung erneuerbarer Energien aus Sonne, Wind, Erdwärme oder Brennstoffzellen auf der Strecke bleibe. Zudem seien die Risiken der Kernfusion kaum abwägbar. Nur die erneuerbaren Energien sind nach Ansicht der Grünen geeignet das fossil-atomare Energiesystem abzulösen.