Weiße Zwerge aus dem Reagenzglas

Zum ersten Mal ist es Physikern gelungen, eine Gaswolke aus zwei fundamentalen Teilchenarten so weit abzukühlen, dass besondere Quanteneffekte einsetzten. Neue Erkenntnisse über Supraleiter scheinen möglich.

Randall Hulet von der Rice University im texanischen Houston hat zusammen mit seinen Kollegen Lithium-Gas auf 240 Nanokelvin abgekühlt, eine Temperatur, die lediglich ein viertelmillionstel Grad über dem absoluten Nullpunkt liegt. Dabei zeigten die einzelnen Bestandteile des Gases, Physiker sprechen von "Fermionen" und "Bosonen", charakteristische Eigenschaften.

Egal ob Elektronen, Protonen und Neutronen - die Grundbausteine der Materie gehören alle zur Klasse der Fermionen. Auch Atome, die aus einer ungeraden Zahl von Fermionen bestehen, werden wieder in diese Kategorie eingeordnet, so zum Beispiel Lithium-6, das sich aus drei Neutronen, drei Protonen und drei Elektronen zusammensetzt.

Anders sieht es bei Lithium-7 aus, das über ein zusätzliches Neutron verfügt. Da auf diese Weise eine gerade Zahl von Fermionen zusammenkommt, entsteht ein so genanntes Boson. Bei extrem niedrigen Temperaturen, wenn sich die Atome entsprechend der Quantentheorie mehr als Welle denn als Teilchen verhalten, weisen Bosonen und Fermionen deutliche Unterschiede auf.

Bereits 1995 wurde gezeigt, dass sich identische Bosonen bei Temperaturen am absoluten Nullpunkt problemlos sehr nahe kommen können. Alle Teilchen nehmen denselben niedrigen Energiezustand ein, bewegen sich synchron und verhalten sich wie ein großes Atom. Physiker sprechen von einem "Bose-Einstein-Kondensat".

Fermionen dagegen kommen in der Kälte weniger gut miteinander aus. Dem so genannten Pauli-Prinzip folgend können identische Fermionen nicht zur selben Zeit denselben Platz einnehmen. Stattdessen teilen sie sich auf verschiedene Energienievaus auf. Wie Menschen auf einer Leiter, deren Sprossen nur Platz für jeweils eine Person bieten, stapeln sich die Teilchen bei sehr niedrigen Temperaturen. Derart auf Distanz gehalten, bauen Fermionen eine Art Druck auf, der eine weitere Kompression des Gases verhindert.

Bei ihren Versuchen mit Lithiumgas konnten die Rice-Forscher beobachten, dass sich beim Abkühlen der Bosonen-Anteil weiter zusammenzog, während der Fermionen-Teil immer eine bestimmte Größe beibehielt. Am Ende gelangen zwei Bilder der beiden Teilchenarten, die den Unterschied deutlich machen. Um die minimalen Temperaturen zu erreichen lockten die Physiker ihre Gasatome in eine magnetische Falle und kühlten die Lithium-7-Atome danach durch Verdampfen ab. Da die Lithium-6-Atome auf diesem Wege nicht direkt ihre Hitze verlieren können, wurden sie durch Kontakt mit ihren Bosonen-Kollegen auf die extrem niedrige Temperatur gebracht.

Zustände wie in toten Sternen

Besonders das Verhalten der Fermionen interessiert die Forscher bei derartigen Experimenten. Denn sind erst einmal alle Zustände besetzt, ist das Gas also an seiner "Fermi-Grenze" angekommen, treten Effekte ein, wie sie wahrscheinlich auch in einem extrem alten Stern anzutreffen sind: In Weißen Zwergen oder Neutronensterne, Sternen die am Ende ihrer Lebenszeit angekommen und längst erkaltet sind, verhindert der Fermidruck, dass die Himmelskörper unter ihrer eigenen Gravitationskraft kollabieren. Auch beim Verhalten von Elektronen in einem Metall spielt die Fermie-Energie eine wichtige Rolle.

Als nächsten wollen die texanischen Wissenschaftler noch tiefere Temperaturen ansteuern, um sich letztlich ihrem ultimativen Ziel anzunähern: die Fermionen soweit abzukühlen, dass sie zusammenklumpen und so genannte Cooper-Paare bilden. Die geheimnisvollen Pärchen sind bereits in bestimmten Festkörpern entdeckte worden, wo sie für die Supraleitung verantwortlich gemacht werden. Theoretiker sagen voraus, dass bei 60 Nanokelvin auch im Lithiumgas Cooper-Paare entstehen müssten. Das Gas würde supraflüssig, die einzelnen Atome ohne Reibung aneinander vorbeigleiten.

Hulet sieht derzeit keine fundamentalen Hindernisse, die einem weiteren Abkühlen im Weg stehen würden. Allerdings setze die Bose-Einstein-Kondensation bestimmte Grenzen, die anstelle einer magnetischen Falle eine optische Eindämmung forderten. Hierbei würden Laserstrahlen die Atomwolke in Position halten.

Zudem zielt das Team darauf ab, die Stärke der Wechselwirkung zwischen einzelnen Atomen zu verändern. Auf diese Weise wäre es, hofft Hulet, dann möglich, neue Hinweise zum Verständnis der Supraleitung zu finden - auf einem Weg, der "zuvor nicht gangbar erschien".