Was geschah beim Urknall?

Im Europäischen Laboratorium für Teilchenphysik in Genf läuft die Massenfabrikation von Antimaterie an. Eine der wichtigsten Fragen der Urknall-Theorie soll beantwortet werden.

Genf - Europäische und japanische Wissenschaftler treffen in diesen Tagen die letzten Vorbereitungen für die weltweit erste Massenproduktion von Antimaterie. Die Forschungsergebnisse aus dem könnten eine der fundamentalen Fragen über die Entstehung des Universums beantworten: Warum haben sich Materie und Antimaterie beim "Big Bang" vor Milliarden von Jahren nicht gegenseitig ausgelöscht?

Wie konnte es sein, dass nach dem großen Knall noch Materie existierte, aus der ganze Galaxien entstanden? 130 Cern-Wissenschaftler wollen nun größere Mengen an Antiatomen produzieren, die in einem Laser-Experiment mit gewöhnlichen Atomen verglichen werden sollen. Die Physiker suchen nach der winzigen Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie. Denn sie könnte uns die Entstehung unseres Universums erklären. "Diesen Unterschied festzustellen, wäre unser absolutes Traumergebnis", meint Rolf Landua, in Genf für eines der drei Antimaterie-Experimente verantwortlich.

Als die Teilchenphysiker des Cern mit dem Antiprotonen-Ring "Lear" vor fünf Jahren zum ersten Mal Antiwasserstoffatome herstellten, war die Begeisterung groß. Doch auf die erste Euphorie folgte schnell Ernüchterung: Die Ausbeute war mit neun Antiwasserstoffatomen äußerst mager. Außerdem bewegte sich die Antimaterie annähernd mit Lichtgeschwindigkeit - und zerfiel so schnell, dass keine Zeit blieb, sie zu untersuchen.

Im Juli hat das Cern einen neuen Antiprotonen-Verzögerer (AD) in Betrieb genommen. Damit ließen sich die Teilchen in großer Menge herstellen und auf ein Zehntel der Lichtgeschwindigkeit verlangsamen. "Der AD liefert uns derzeit 10.000 Antiprotonen pro Schuss", erklärt Landua, zufrieden mit dem Ergebnis. "Später sollen es gar 100.000 Stück pro Minute sein."

In mehreren Schritten bremsen die Forscher die Antiprotonen auf eine Geschwindigkeit von 300 Meter pro Sekunde herunter. Damit sie zu vollständigen Antiatomen werden, fehlen den Teilchen dann nur noch Positronen - die Antiteilchen zu den Elektronen. Positronen sind zwar wesentlich leichter herzustellen als Antiprotonen, sie verschmelzen aber nur mittels eines sehr komplizierten Verfahrens mit ihnen.

Spätestens im November soll dieser heikle Teil des Experiments beginnen: Die Antiprotonen werden dabei in die Positronen-Wolke hineingeschossen. "Das ist wie bei einem Cocktail, den man umrührt, aber nicht schüttelt", erklärt Landua. Wenn alles gut geht, entsteht dabei eine große Zahl von "kalten" Antiwasserstoffatomen, die immerhin eine Sekunde lang existieren sollen. "Eine Untersuchungszeit von einer Sekunde wäre sehr gut", meint der Leiter des Experiments.

In dieser Sekunde werden von zwei Seiten Laserstrahlen auf die Antiatome gerichtet, um sie in einen angeregten Zustand zu bringen. Der Erfolg lässt sich daran erkennen, dass die einzelnen Antiatome beim Rückfall in den Grundzustand winzige Lichtteilchen aussenden.

Das gleiche Verfahren wollen die Cern-Physiker auch auf normale Wasserstoffatome anwenden. Sollten Materie und Antimaterie nicht auf die gleiche Laserfrequenz reagieren, wäre dies der langersehnte Beweis dafür, dass sie eben nicht völlig symmetrisch sind: Eine Erklärung dafür, warum unser Universum beim Urknall entstehen konnte.