Vulkane sowohl heiß als auch kühl

Die amerikanisch-deutsche Jupitersonde Galileo hatte sich bei drei Vorbeiflügen bis auf 200 Kilometer an den Mond Io herangewagt. Weitere Geheimnisse der Feuer speienden Oberfläche des Vulkanmondes wurden bei der Auswertung der Aufzeichnungen gelüftet.

Berlin - In einer Welt, die bis zu den spektakulären Beobachtungen der amerikanischen Voyager-Sonde 1979 für kalt und erstarrt gehalten worden war, entdeckte der Satellit 20 neue Vulkane - zusätzlich zu den bereits 80 bekannten. Nach den jetzt veröffentlichten Auswertungen der spektakulären Flüge Galileos im Oktober und November 1999 sowie im Februar 2000 haben die Forscher die Gesamtzahl der Vulkane auf dem Innersten der vier Hauptmonde des Gasgiganten Jupiter auf etwa 300 geschätzt. Damit wurde Io, der etwa die Größe unseres Erdmondes hat, als der Himmelskörper mit der stärksten vulkanischen Aktivität in unserem Sonnensystem bestätigt.

Zwischen den sensationellen Ausflügen haben die Forscher in einem wahren Verwirrspiel starke Veränderungen in der Vulkanlandschaft des Planetenbegleiters beobachtet. Einige der kleinen, schwachen Vulkane scheinen sich innerhalb weniger Wochen ein- und auszuschalten, indem sie von heiß und glühend auf kühl und dunkel wechseln. Die größeren und helleren Vulkane, so wurde vor kurzem auf einer Tagung der Amerikanischen Geophysikalischen Union in Washington berichtet, scheinen nach den Voyager- und Galileo-Aufnahmen über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte aktiv zu bleiben.

Loki, der mächtigste aktive Vulkan im Sonnensystem, wurde von den Instrumenten der Sonde zwischen Oktober 1999 und Februar 2000 etwa am Anfang und am Ende einer Eruptionsperiode erwischt. "Der größte Teil seiner Caldera (Krater), ein Gebiet von über 10.000 Quadratkilometern (...) scheint in den dazwischen liegenden viereinhalb Monaten von heißer Lava bedeckt gewesen zu sein", berichtet John Spencer vom Lowell Observatory in Flagstaff im US-Bundesstaat Arizona.

Einer der aufregendsten von Galileo beobachteten Vulkanausbrüche war der des Tvashtar Catena im November 1999. Die im Februar geschossenen Bilder zeigen, dass die drei Monate zuvor gesehene Eruption verschwunden war, dass es aber einen neuen Ausbruch mit äußerst heißer Lava ganz in der Nähe gab. Auf dem "Überraschungsmond" laufen offenbar Prozesse ab, für die es auf der Erde keine Parallelen gibt. Jupiters enorme, aus der 318fachen Masse der Erde gewonnene Anziehungskraft walkt diesen Mond dermaßen, dass dabei Reibungswärme entsteht, die sein Inneres ständig flüssig hält.

Die Sonde hat bei ihren Naherkundungen auch herausgefunden, dass die brodelnden Vulkane des Jupitermondes Io die Hauptquelle für die Staubströme sind, die vom Reich des Jupiters aus in das übrige Sonnensystem befördert werden. Die Staubströme aus Richtung Jupiter sind so stark, dass einige ihrer Partikel sogar aus dem Sonnensystem hinaus in das interstellare Medium, den Raum zwischen den Sternen, gelangen.

Galileo umkreist als erster künstlicher Satellit des Jupiter den "König der Planeten" und seine bizarren Monde seit dem 7. Dezember 1995. Vor nunmehr fast elf Jahren aus der Ladebucht der US-Raumfähre Atlantis gestartet, absolvierte die schon im April 1991 durch Ausfall ihrer Hauptantenne beeinträchtigte Sonde ihre zweijährige Primärmission am Riesenplaneten bis zum 16. Dezember 1997. Zwei Verlängerungen folgten: Einmal bis Ende vorigen Jahres mit der besonderen Beobachtung des primitiver Lebensformen verdächtigten Eismondes Europa und in diesem Jahr in der so genannten Galileo- Millennium-Mission (GMM). Mit einem Antriebssystem und drei Experimenten aus Deutschland ausgestattet, wird das 1,3 Milliarden Dollar (etwa 2,6 Milliarden Mark) teure Unternehmen vom Laboratorium für Strahlantriebe (Jet Propulsion Laboratory, JPL) im kalifornischen Pasadena gemanagt.

Galileo hat zurzeit den Bereich der intensiven Magnetosphäre des Jupiter verlassen und ist nun in den Bereich des Sonnenwindes mit seinem ständig vom Zentralgestirn abgeblasenen Partikelstrom gewechselt. Im Oktober wird der erfolgreiche irdische Sendbote wieder in Jupiter-Nähe kommen und im Dezember in einer Art Joint Venture mit der zu einem Beschleunigungsmanöver den Planeten passierenden Saturn-Sonde Cassini/Huygens simultan Messungen von der Jupiter-Magnetosphäre und ihrer Beziehung zum Sonnenwind machen.

Die Millennium-Periode endet offiziell am 28. Dezember mit einem erneuten Vorbeiflug an Ganymed, dem größten Mond im Sonnensystem. Als Basis-Vorstellung denkt man beim JPL-Management nach Informationen vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin noch an drei Io-Passagen in den Jahren 2001 und 2002 sowie an einen Direktkontakt mit dem kleinen Mond Almathea nahe am Jupiter. Danach soll Galileo sein Walhalla mit einem Sturz auf den Jupiter finden.