Unerwartetes Ergebnis unterstützt neue Physik-Theorie

Experimente mit subatomaren Teilchen im Brookhaven National Laboratory ergaben starke Abweichungen von den Vorhersagen physikalischer Standardtheorien. Dadurch werden Alternativtheorien über Struktur und Eigenschaften der Materie gestützt.

Ein winziges Partikel namens Myon hat sich in den Experimenten der Brookhaven-Physiker in New York als wesentlich magnetischer erwiesen als das sogenannte Standardmodell der Elementarteilchen vorhersagte.

Dies könne nach Ansicht einiger Physiker als Unvollständigkeit des Standardmodells interpretiert werden und zu einer Entdeckung völlig neuer Teilchen-Arten führen, die von konkurrierenden Theorien wie der Superstring-Theorie vorhergesagt werden.

Das Standardmodell der Elementarteilchen

Das sogenannte Standardmodell beschreibt viele bekannte Teilchen-Wechselwirkungen. Das Standardmodell ist eine Sammlung von Theorien, die aus der Quantenelektrodynamik, der Theorie über elektroschwache Prozesse und der Quantenchromodynamik bestehen. Dieses Modell ist keineswegs endgültig. Mit Hilfe des Standardmodells lassen sich die weit über hundert gefundenen Teilchen in elementare mit Spin 1/2 ( Fermionen) und Spin 1 ( Bosonen) zurückführen, welche die Kräfte zwischen den Fermionen vermitteln. Trotz mancher Erfolge des Standardmodells bleiben einige grundsätzliche Fragen offen.

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Hochpräzise Vorhersagen

Das Myon ist als Teilchen mit dem Elektron vergleichbar, aber mit ungefähr der 207fachen Masse. Theoretische Physiker haben versucht, mittels des Standardmodells den genauen Wert des Myon-Magnetismus mit hoher Präzision zu prognostizieren.

Bislang waren die meisten Prognosen der Standardtheorie korrekt eingetroffen, doch diesmal lag das Ergebnis der Experimente weit neben den angesagten Werten.

"Die natürlichste Erklärung für solch eine Abweichung von Vorhersagen ist die hier zu beobachtende Eigenschaft der Supersymmetrie", folgert Bill Marciano von Brookhaven.

Das Myon

Charakteristisch für Myonen ist deren lange Lebensdauer (ca. 2 ·10-6s) und die große Durchdringungskraft in Materie. Diese rührt von ihrer hohen Masse her, wodurch Bremsstrahlung stark unterdrückt ist. Myonen geben ihre Energie fast ausschließlich durch Ionisation ab und ihre Reichweite in Materie ist größer als die jedes anderen Elementarteilchens. Myonen machen den Hauptanteil der die Erdoberfläche erreichenden kosmischen Strahlung aus. Sie entstehen jedoch erst in der Atmosphäre, sind also keine Teilchen aus der primären kosmischen Strahlung.

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Der G-2 Myon-Speicherring am Brookhaven National Laboratory.

Die Forscher studierten einen Strahl positiv geladener Myonen bei einer Geschwindigkeit nahe der des Lichts, als diese in einem vertikalen Magnetfeld zirkulierten. Aufgrund der Ladung der Myon-Teilchen bewegte sich der Strahl in einem horizontalen Kreis um die magnetischen Feldlinien herum.

Zur selben Zeit interagierte jedes der Myonen mit dem Magnetfeld. Die Physiker maßen die Anzahl der Kreisumrundungen, die jedes Myon zurücklegte und wie oft sich das magnetische Moment dabei änderte.

Untersuchung virtueller Partikel

Aufgrund der sogenannten Heisenbergschen Unschärferelation, hängt das magnetische Moment der Myonen von den Eigenschaften anderer Teilchen wie dem Photon ab.

Die Unschärferelation "erlaubt" dem Myon sozusagen das Emittieren eines "virtuellen" Teilchens und das unmittelbare " Wiedereinfangen" desselben bevor es gemessen werden kann. Dieses virtuelle Partikel interagiert mit dem Magnetfeld und beeinflusst damit das magnetische Moment des Myons.

Die Unschärferelation von Heisenberg

Die Unschärferelation besagt, dass Ort und Impuls eines Teilchens niemals gleichzeitig beliebig genau gemessen werden können; es gilt vielmehr: Je genauer der Ort festgelegt ist, um so ungenauer wird der Impuls bestimmt und umgekehrt. Ist der Ort eines Teilchens bis auf die Größe dx genau gemessen und gleichzeitig sein Impuls bis auf dp genau, dann ist das Produkt dieser beiden Größen größer oder gleich dem Planck'schen Wirkungsquantum h, d. h. dx·dp < h.

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Kalkulationen liegen daneben

"Die Kalkulationen konnten zeigen, dass die Teilchen (sechs Leptonen und vier Bosonen) des Standardmodells die magnetischen Eigenschaften des Myons nicht erschöpfend erklären können", so Lee Robert von der Boston University, der in das Projekt involviert war.

Viele Physiker halten das Standardmodell zunehmend für problematisch, denn es kann grundlegende Fragen, warum spezifische Partikel eine bestimmte Masse haben, nicht beantworten. Alternativtheorien wie die Superstringtheorie versprechen nach Ansicht einiger Physiker vielversprechendere Einsichten in die Natur der Materie.

Superstringtheorie

Die Strings können - wie die Saiten eines Instruments - in verschiedenen "Obertönen" schwingen und damit die bekannten Elementarteilchen wie Elektronen erzeugen. Jedes Elementarteilchen soll sich nach dieser Vorstellung als bestimmter Schwingungszustand eines Strings interpretieren lassen. Die Strings haben eine charakteristische Länge von nur etwa 10 hoch -35 Meter. Das "Super" im Wort "Superstring" besagt, dass die Superstring-Theorie supersymmetrisch ist, d. h. für jedes Fermion (Spin halbzahlig) unter den Elementarteilchen gibt es ein zugehöriges Boson (Spin ganzzahlig) und umgekehrt. Den hypothetischen supersymmetrischen Partner z. B. des Photons nennt man Photino, den des Gravitons Gravitino und den des Elektrons Selektron.

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