Chandra hat "Stromkabel" im All gefunden

Wissenschaftler haben im Krebsnebel erstmals im Weltall Ringe aus Röntgenstrahlen gefunden. Diese "Powerlines" bilden die Verbindungen zwischen dem extrem energiegeladenen Herz des Krebsnebels und der sie umgebenden riesigen Gaswolke.

Der Ring aus Röntgenstrahlen um das Zentrum des Krebsnebels wurde mit Hilfe des Chandra-Teleskops entdeckt. Das gab die amerikanische Weltraumbehörde Nasa am Dienstag bekannt. Seit Jahrzehnten hatten Astronomen darüber spekuliert, wie der Pulsar im Zentrum der Supernova eine Energiemenge, 100.000mal stärker als die Strahlung unserer Sonne, an den Nebel transferiert.

Die hochauflösenden Teleskop-Bilder zeigen einen Ring aus Ionen und Gas um den pulsierenden Stern genau an der Stelle, an der die Energie vom Pulsar in den Nebel übergeht. Zu sehen sind Ringe oder Wellen aus energiereichen Partikeln, die aus dem Zentrum des Nebels geschleudert werden, sowie Energiestrahlen, die senkrecht zu den Ringen in den Weltraum geblasen werden.

Der Krebsnebel, 6000 Lichtjahre von uns entfernt und Überrest einer Sternenexplosion, wurde mehr als alle anderen astronomischen Gebilde studiert. Der Ring aus Röntgenstrahlen aber sei etwas Neues, so Jeff Hester von der Arizona State University. "Dieser innere Ring ist einmalig", sagte Hester. "Das ist, wie wenn man die Verbindung zwischen dem Kraftwerk und der Glühbirne findet. Er sollte uns eine Menge darüber erzählen können, wie die Energie vom Pulsar in den Nebel kommt."

Die neuen Chandrabilder werden den Astrophysikern als Grundlage für die Entwicklung neuer Modelle von Sternenexplosionen dienen, sagte der Nasa-Projektwissenschaftler Martin Weisskopf. Er verdeutlichte den Energietransfer im Krebsnebel mit der Metapher eines pirouettenlaufenden Eiskunstläufers, der seine Energie plötzlich an das Publikum um ihn herum abgibt und die Zuschauer dadurch zum Leuchten bringt. Wie genau die Energie in den Ring kommt, sei zwar noch nicht ganz klar, aber der entdeckte Ring biete einen Schlüssel für das Verständnis des Transformationsprozesses, so Weisskopf.

Die Enstehung des Krebsnebels gehört zu den wenigen geschichtlich belegten Supernova in unserer Galaxie. Sie ist in den Aufzeichnungen chinesischer Astronomen aus dem Jahr 1054 nach Christus dokumentiert. Darin wird über eine Erscheinung am Himmel berichtet, die so hell war wie der Vollmond, und 23 Tage auch tagsüber mit bloßem Auge gesehen werden konnte. Von anderen Völkern, wie zum Beispiel den Indianer Nordamerikas, sind ähnliche Berichte und auch Felszeichnungen der Mondsichel mit einem hellen Stern daneben bekannt. In Europa gibt es keine Aufzeichnungen über diese Supernova, da die damals vorherrschende katholische Kirche Ereignisse dieser Art ignorierte. 1968 entdeckte man einen mehr als 30mal pro Sekunde rotierenden Pulsar im Zentrum des Krebsnebels. Ein Jahr später wurde der Pulsar als Neutronenstern identifiziert, der ein extrem dichtes Objekt ist.

Das 1,5 Milliarden Dollar teure Chandra-Röntgenteleskop wurde im Juli diesen Jahres von Shuttle-Piloten ins All gebracht. Vor einigen Wochen war ein Problem mit der Auflösung einer Röntgenkamera festgestellt worden. Die kleine Panne konnte jetzt beseitigt werden, das Teleskop arbeite inzwischen wieder einwandfrei, sagte Martin Weisskopf von der Nasa.