Stellare Sanduhr

Einen tiefen Blick in eine der Kinderstuben des Universums haben japanische Astronomen geworfen. Neben jungen Sternen entdeckten die Forscher dabei auch orientierungslose "Planeten".

Heller Stern, Roter Riese, Weißer Zwerg: Sterne machen während ihres turbulenten Lebens verschiedenen Phasen durch, für die Astronomen entsprechend treffende Namen gefunden haben. Doch manche Sterne schaffen es nicht einmal, vernünftig zu leuchten. Um solche "Braunen Zwerge" auf Film zu bannen, braucht es ausgeklügelte Teleskoptechnik.

Das Foto:

Wie eine überdimensionale Sanduhr erscheint die auf den Namen S106 getaufte Region im Sternbild des Schwan. Rund 2000 Lichtjahre von der Erde entfernt bildet der Stern IRS4, 100.000 Jahre alt und etwa 20-mal so schwer wie unsere Sonne, das Zentrum eines stellaren Kindergartens. Gewaltige Materiewolken, die vom Stern ins Weltall geschleudert werden, geben der stellaren Struktur ihre charakteristische Form. Eine Scheibe aus Gas und Staub schnürt das fragile Gebilde im Zentrum zusammen.

Doch nicht nur junge Sterne wollen die Astronomen mit dem Subaru-Teleskop entdeckt haben. Die Umgebung von S106 offenbart Hunderte schwach leuchtende Objekte, deren Masse verglichen mit unserer Sonne weniger als acht Prozent ausmacht. Die kleinsten Objekte sind nur etwas größer als der Planet Jupiter. Astronomen sprechen von "Braunen Zwergen".

Der Hintergrund:

Um erfolgreich Wasserstoff zu verbrennen, die Kernfusion im Innern also über einen längeren Zeitraum zu gewährleisten, müssen junge Sterne über eine gewisse Masse verfügen - die Untergrenze liegt bei rund 0,08 Sonnenmassen. Sind die Sterne zu leicht, bleiben sie weitgehend dunkel: Braune Zwerge beziehen ihre Energie lediglich aus ihrer langsamen Kontraktion.

Würden die Zwergsterne einen entfernten Stern umkreisen, sie würden wohl als "Planeten" angesehen. Da die Objekte in der Umgebung von S106 aber mehr oder weniger orientierungslos durch den Raum schweben, ist der Begriff Planet, definiert als der sich um einen Sonne bewegende Himmelskörper, unangebracht. Wie genau Braune Zwerge gebildet werden, ist noch ungeklärt.

Bekannt ist dagegen, wie die bizarren Farbenspiele im S106-Nebel entstehen: Angeregt von der ultravioletten Strahlung des zentralen Sterns wird das umgebene Wasserstoffgas teilweise seiner Elektronen beraubt. Wenn das ionisierte Gas wieder in seinen Ausgangszustand zurückkehrt, emittiert es ein blaues Licht, das im Zentrum des Bildes zu sehen ist. Astronomen sprechen von einem "Emissions-Nebel".

Ein anderer Effekt wird in den weiter außen liegenden Regionen sichtbar: Staubteilchen streuen das Licht des Sternes in alle Richtungen. Der so genannte Reflektionsnebel ist durch seine rötliche Färbung gekennzeichnet.

Die Kamera:

In 4200 Meter Höhe, auf dem Gipfel des hawaiianischen Berges Mauna Kea, hat das japanische National Astronomical Observatory eines der größten Spiegelteleskope der Welt aufgebaut. Mit einem 8,2-Meter-Spiegel soll der überdimensionale Feldstecher das fade Licht entfernter Sterne und Galaxien auffangen.

"Subaru", offiziell benannt nach dem japanischen Namen der Plejaden, ist mit mehreren Instrumenten ausgerüstet, die verschiedenen Aspekte des eingefangenen Lichts analysieren können. Mit an Bord ist auch ein spezieller Spektrograf, der das Leuchten des Hydroxl-Radikals in der Erdatmosphäre auf den Aufnahmen unterdrückt. OH-Moleküle sind in der Umgebung der Erde relativ häufig anzutreffen. Durch die ultraviolette Strahlung der Sonne angeregt, geben sie über einen längeren Zeitraum Strahlung in der Nähe des infraroten Wellenlängenbereichs ab - und trüben normalerweise den Blick auf weit entfernte Sterne.