Schwarze Löcher sind gar nicht so gefräßig

Sie sind mysteriös, sie sind gewaltig, und sie sind weitgehend unerforscht: Schwarze Löcher, Materieansammlungen mit scheinbar unstillbarem Hunger, stellen die Forscher mal wieder vor ein Rätsel.

Der gesunde Menschenverstand wusste es schon lange: Je genauer man hinschaut, desto verwirrender wird das Bild. Und genau diese Erfahrung musste nun auch die Nasa machen.

Die US-Weltraumbehörde hatte im vergangenen Jahr gleich vier ihrer schwebenden Teleskope auf ein einziges Schwarzes Loch angesetzt. XTE J1118+480, so der Name des kosmischen Giganten, sollte die Frage klären, in welcher Entfernung Materie um ein Gravitationszentrum kreist, um anschließend ins Verderben zu stürzen. Die Ergebnisse waren überraschend.

Viele bislang bekannte Schwarze Löcher werden von einem Stern begleitet, dem sie nach und nach Materie entziehen. Über die Jahre hinweg formt das ungleiche Paar eine flache, Pfannkuchen-ähnliche Materiescheibe rund um das Schwarze Loch. Astronomen sprechen von einer Akkretionsscheibe. Ein ähnlicher Prozess ist auch bei jungen Sternen zu beobachten: Die aus Gas und Staub zusammengesetzte Scheibe gilt als eine der Geburtsstätten von Planeten.

Bei Schwarzen Löchern ist Materie aus der Akkretionsscheibe dagegen keine große Zukunft beschert. Auf Grund der immensen Gravitationskraft des kosmischen Staubsaugers werden die Massen langsam zum inneren Rand der Scheibe beschleunigt. Dabei erhitzen sie sich derart stark, dass charakteristische Röntgenstrahlung frei wird.

Kommt die Materie dem Schwarzen Loch noch näher, verschwindet selbst diese Strahlung wieder. Astrophysiker vermuten, dass sich auf Grund der gewaltigen Kräfte die einstigen Sternenbestandteile in heiße Gasblasen auflösen und Kurs auf das Gravitationsloch nehmen. Hat die heiße Materie schließlich den so genannten Ereignishorizont erreicht, gibt es keine Rettung mehr. Jenseits dieser Grenze kann nichts mehr dem Schwarzen Loch entkommen - nicht einmal Licht.

Bislang gingen die Theoretiker davon aus, dass zwischen der inneren Grenze der Akkretionsscheibe und dem Ereignishorizont lediglich 40 Kilometer liegen. Die aktuellen Aufnahmen scheinen dies zu widerlegen. "Wir haben zum ersten Mal eindeutige Beweise gefunden, dass die Akkretionsscheibe in deutlich größerer Entfernung aufhört", sagt Jeffrey McClintock vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics. Demnach liegen zwischen Horizont und Scheibe fast 1000 Kilometer.

XTE J1118+480, ein Schwarzes Loch mit dem Gewicht von rund sieben Sonnenmassen, wurde bereits im März 2000 vom "Rossi X-Ray Timing Explorer", einem 1995 gestarteten Nasa-Satelliten, entdeckt. Aufnahmen in anderen Wellenlängenbereichen, unter anderem mit dem Chandra-Röntgenteleskop und dem Weltraumteleskop Hubble, offenbarteren weitere Details des Schwarzen Loches.

Der Durchbruch kam allerdings, so Ann Esin vom California Institute of Technology, als Chandra die verräterische Röntgensignatur der Akkretionsscheibe einfach nicht erkennen konnte. Esin: "Theoretische Modelle, in denen die Scheibe dem Horizont sehr nahe kommt, haben nun ein fundamentales Problem."