Physiker schrumpfen Atome

Hollywood schaffte es bereits vor Jahrzehnten, in der Realität allerdings ist die kontrollierte Miniaturisierung noch Zukunftsmusik. Ein neues Experiment könnte zumindest eines verkleinern: die Wissenslücke der Physiker.

Japanischen Forschern ist es gelungen, durch gezielten Austausch fundamentaler Atombausteine, der so genannten Quarks, den Kern eines Lithiums-Atoms deutlich zu verkleinern - um rund 20 Prozent. Wie das Fachmagazin "Science" in seiner Online-Ausgabe berichtet, ist das Ergebnis selbst für die beteiligten Forscher "höchst erstaunlich".

Die Überraschung ist verständlich, lassen sich Atomkerne durch äußeren Druck doch kaum komprimieren. Das internationale Team um den japanischen Physiker Hirokazu Tamura hat deshalb einen anderen Weg gewählt: Es komprimierte das Atom von Innen heraus.

Der Kern eines Lithium-7-Atoms, des in der Natur am häufigsten anzutreffenden Lithium-Isotops, besteht aus drei Protonen und vier Neutronen. Nach einem der fundamentalen Gesetze der Quantenmechanik, dem Pauli-Prinzip, können jedoch maximal zwei Neutronen oder Protonen den niedrigsten Energiezustand in einem Atomkern einnehmen. Die restlichen Teilchen müssen, vergleichbar mit einer Leiter, höhere Energieniveaus besetzen, machen den Atomkern also größer.

Die Komprimierungstechnik der Physiker aus Japan, China, Korea und den USA macht sich offensichtlich genau dieses Prinzip zu Nutze: Durch einen genau geplanten Eingriff, tauschten sie zwei Quarks gegeneinander aus: Aus einem Neutron wurde ein Lambda-Null, ein Elementarteilchen, das etwas schwerer als das Neutron ist.

Doch nicht nur die Masse unterscheidet das Lambda von seinen geläufigeren Kollegen: Das seltene Teilchen unterliegt zudem nicht dem Pauli-Prinzip, kann also im Gegensatz zu den Neutronen einen Platz direkt im Atomkern einnehmen. Die Größe des Atomkerns schrumpft.

Beobachten konnten Tamura und sein Team den Effekt allerdings nur indirekt, indem sie die vom neuen Atomkern emittierte Gammastrahlung gemessen haben. Die Strahlung gibt Hinweise auf bestimmte Prozesse, die im Kern des künstlich hergestellten Lithium-Atoms vor sich gehen - Informationen, mit deren Hilfe nicht nur die Größe bestimmt werden kann, sondern auch die Wechselwirkung der einzelnen Kernbausteine.

Auch wenn die geschrumpften Atomkerne - wie die meisten grundlegenden Experimente der Kernphysiker - von einem praktischen Nutzen meilenweit entfernt sind, versprechen sich die beteiligten Forscher doch greifbare Resultate. "Niemand konnte bislang derartigen Effekte mit einer solchen Genauigkeit messen", erklärte John Millener vom Brookhaven National Laboratory in Bosten gegenüber "Science now".

Der Physiker hofft, dass das Verständnis der Wechselwirkungen neues Licht auf bislang mysteriöse Aspekte der Kernphysik wirft. Denn, so Millener: "Für all das haben wir bislang keine vernünftige Theorie."