Kepler kugelte korrekt

Eine für den Apfelsinenhandel von heute wichtige "Vermutung" des großen Astronomen aus dem Jahre 1611 erwies sich jetzt als richtig

Zehn Jahre hat der Professor gerechnet, dann war bewiesen, was man auf Obst-und Gemüsemärkten immer schon - intuitiv - gewusst hat: Die beste Art, Orangen in eine Kiste zu packen, ist, sie auf Lücke zu legen. Keine andere Methode, Kugeln gleicher Größe zu stapeln, nutzt den Raum effektiver als diese Anordnung, die Kristallographen als ein kubisch flächenzentriertes Gitter bezeichnen.

Vermutlich hätte niemand außerhalb der mathematischen Welt von diesem Beweis Kenntnis genommen, wäre das Apfelsinen-Problem nicht eines jener 23 berühmten Probleme, die der große Mathematiker David Hilbert im Jahre 1900 als die wichtigsten damals noch unbewiesenen mathematischen Fragen bezeichnet hatte.

Wissenschaftshistoriker haben das Orangen-Problem bis ins späte 16. Jahrhundert auf Sir Walter Raleigh zurückverfolgt. Da war es noch ein Kanonenkugel-Problem. Der englische Seefahrer hatte seinen Landsmann, den Mathematiker Thomas Harriot gebeten, ihm eine Formel zu entwickeln, mit der er schnell und zuverlässig die Anzahl gestapelter Kanonenkugeln etwa auf einem Kriegsschiff abschätzen könne.

Ungefähr zur selben Zeit korrespondierte Harriot mit Johannes Kepler über Probleme der Optik. Wie, so fragten sich die Forscher, müssen die Atome, die man sich damals noch als kleine Kugeln vorstellte, in der Materie angeordnet sein, damit sie Teile des Lichtes reflektieren, andere Teile jedoch durchlassen. So wurde das Kugelproblem zum Kepler-Problem.

Im Jahre 1611 kam der deutsche Astronom durch Ausprobieren auf die Lösung: Man lege jeweils vier benachbarte Kugeln so aneinander, dass deren Mittelpunkte eine Raute bilden; die Kugeln der folgenden Schicht lege man auf Lücke. Durch diese Anordnung wird der Raum zu 74 Prozent ausgenutzt.

Legt man hingegen, um mal ein besonders dummes Beispiel zu nennen, vier Kugeln so aneinander, daß deren Mittelpunkte ein Quadrat bilden, und die folgende Ebene nicht auf Lücke, sondern Kugel auf Kugel, so wird der Raum nur zu 52 Prozent genutzt. Eine Apfelsinenkiste enthält bei dieser Packart fast zur Hälfte Luft.

Kepler war überzeugt, die optimale Lösung gefunden zu haben. Er konnte aber nicht ausschließen, dass es nicht doch vielleicht eine raumsparendere Variante unter den unendlich vielen möglichen Kugelkonstellationen gab. Unmöglich konnte er ja alle ausprobieren.

Ein mathematisch strenger Beweis gelang erst jetzt dem amerikanischen Mathematiker Thomas Hales von der University of Michigan - auf 250 eng mit Formeln beschriebenen Manuskript-Seiten und nur mit Computer-Hilfe.