Hochenergetische Teilchen im Eis

Sie sind flüchtig und schwer nachzuweisen. Die Neutrinos, winzige kosmische Teilchen, die Aufschlüsse über Himmelsobjekte jenseits unserer Galaxie ermöglichen, lassen sich jetzt tief im antarktischen Eis aufspüren.

Die gefrorenen Tiefen der antarktischen Eiskappe scheinen womöglich der beste Ort, um einen kurzen Blick auf die flüchtigen Hochenergie-Teilchen werfen zu können. Sie sind ansonsten enorm schwierig nachzuweisen, so ein Forscherteam um Francis Halzen und Kollegen von der University of Wisconsin.

Sie berichten im aktuellen "Nature" von ersten Nachweisen der hochenergetischen Neutrinos mit Hilfe des "Antarctic Muon and Neutrino Detector Array" (AMANDA). Das größte Neutrino-Teleskop der Welt ist zwei Kilometer tief im antarktischen Eis vergraben.

Neutrino-Astronomie

... ein moderner Zweig der Astronomie, der die Neutrinos untersucht, die im Sterninnern erzeugt werden und die Sternmassen fast ungehindert durchdringen können. Dies führt zu genauen Kenntnissen der Verhältnisse im Innern eines Fixsterns.

Sonne als Neutrinoquelle

Die meisten der auf der Erde nachgewiesenen Neutrinos stammen von der Sonne oder aus der Erdatmosphäre, wo sie entstehen, wenn die kosmische Strahlung auf Luftmoleküle trifft.

Grundlegende physikalische Prinzipien lassen vermuten, dass hochenergetische Neutrinos auch in Regionen in unmittelbarer Nähe zu Schwarzen Löchern gebildet werden, wie zum Beispiel in aktiven galaktischen Zentren.

Informationen über Schwarze Löcher

Durch die exakte Bestimmung der Quelle und der Geschwindigkeit der hochenergetischen Neutrinos werden Physiker mehr über die Bedingungen in solchen Regionen erfahren.

Da Neutrinos jedoch nur sehr gering mit Materie wechselwirken, sind sehr empfindliche, also sehr große Detektoren zu ihrer Erforschung nötig. Es existieren zwar schon eine Reihe anderer Neutrinodetektoren, die aber nicht einfach vergrößert werden können, um die nötige Empfindlichkeit zu erreichen.

Neutrinos

Ein Neutrino ist ein elektrisch neutrales Elementarteilchen mit einer vermutlich sehr geringen Masse. Es wurde zuerst hypothetisch von W. Pauli eingeführt, um den radioaktiven Zerfall in Elektronen erklären zu können. 1956 wurde es experimentell festgestellt. Neutrinos bewegen sich mit Lichtgeschwindigkeit und haben nur sehr schwache Wechselwirkungen mit den anderen Elementarteilchen. Deshalb sind sie schwer nachzuweisen. Der Spin der Neutrinos steht immer entweder parallel oder antiparallel zur Bewegungsrichtung. Wenn die Unterscheidung dieser beiden Einstellungsmöglichkeiten wesentlich ist, spricht man von Neutrino und Anti-Neutrino. Neben dem Elektronneutrino gibt es noch das Myonneutrino und das Tauneutrino mit den zugehörigen Antineutrinos.

Funktionsfähiges Konzept

Ein Phänomen namens Cerenkov-Strahlung ermöglicht den Physikern, auf die Anwesenheit von Neutrinos zu schließen. Diese Cerenkov-Strahlung ist ein fließendes, bläuliches Glühen, das dann entsteht, wenn Neutrinos mit terrestrischen Partikeln kollidieren.

Dabei setzten sie ein Partikel namens Myon und Energie in Lichtform frei. Ein Cerenkov-Lichtkegel gibt Aufschlüsse auf die Ursprungsregion der jeweiligen Neutrinos.

263 Neutrinos in 20.000 Kubikmeter Eis

Der AMANDA-Detektor konnte in 138 Tagen 263 hochenergetische Neutrinos in 20.000 Kubikmeter Eis nachweisen. Das tiefe Polareis ist von seiner Struktur her klar und transparent genug für die Messung der Cerenkov-Strahlung.

Am verblüffendsten ist die Ausrichtung des AMANDA-Detektors. Dieser ist nicht gen offenen Himmel gerichtet, sondern "schaut" durch die Erde in Richtung Nordpol. Der Planet dient in diesem Fall als "Filter" für die nachzuweisenden Neutrinos. Aus diesen Daten entwickelten die Forscher dann eine Himmelskarte der Ursprungsregionen jener Neutrinos.

Leistungsfähigere Detektoren angestrebt

Da Halzen und Kollegen zeigten, dass ihr Konzept funktioniert, wird der Weg somit frei zum Bau entsprechender leistungsfähiger Teleskope zur Detektion von hochenergetischen Neutrinos.

Denn bis zur Veröffentlichung jener Ergebnisse galt der Nachweis von Neutrinos durch ein natürliches Medium wie Eis als reine Theorie.