Gewaltiger Motor verändert die Erde

Lange Zeit war unklar, welche Prozesse dafür verantwortlich sind, dass die Erdkruste ständigen Veränderungen unterworfen ist. Kanadische Forscher wollen das Rätsel nun gelöst haben.

Egal ob Erdbeben, Vulkane, Kontinentalbewegung oder Klimaveränderungen - all diese Prozesse werden von einem großen Wärmekraftwerk gesteuert, das tief unter der Erdoberfläche arbeitet. Das zumindest meinen zwei kanadische Geologen, die ihre aktuellen Forschungsergebnisse im britischen Wissenschaftsmagazin "Nature" veröffentlicht haben.

Alessandro Forte von der University of Western Ontario und Jerry Mitrovica von der University of Toronto haben ein Modell entwickelt, das die geheimnisvollen Prozesse im Inneren der Erde - vom Kern bis zur Oberfläche - besser erklären soll. Demnach agiert im Herzen des Blauen Planeten ein gewaltiges Kraftwerk, das langsam, aber beständig heißes Material durch den 3000 Kilometer dicken Erdmantel an die Oberfläche drückt - und zwar in scharf abgegrenzten Regionen.

"Wir haben entdeckt, dass der Erdmantel von einer Art Vierzylindermotor durcheinander gewirbelt wird", sagt Forte. Tief unter dem Pazifik und unter Afrika drängt - vergleichbar mit einem Heißluftballon - Material aus dem geschmolzenen Erdkern an die Oberfläche. Gleichzeitig sinkt das erkaltete Gestein an den beiden Rändern des Pazifiks wieder in Richtung Erdmittelpunkt. "Wir haben etwas Großartiges entdeckt, das zugleich sehr einfach und perfekt symmetrisch abläuft", sagt Mitrovica.

Bislang baute das Modell des Erdmantels auf der Theorie der Plattentektonik auf, die bereits in den sechziger Jahren formuliert wurde. Demnach ist die Erdkruste in mehrere große Platten aufgeteilt, die kontinuierlich aneinander reiben und dabei Erdbeben erzeugen und Vulkane ausbrechen lassen.

Erdbebenmessungen aus den Achtzigern hatten geholfen, die Vorstellungen weiter zu verfeinern: Die Auswertung entsprechender Daten zeigte, dass sich seismische Wellen unter dem Pazifischen Ozean schneller ausbreiteten als in anderen Regionen.

Die Geologen zogen einen nahe liegenden Schluss: Als sich der Mantel der Erde formte, so die gängige Theorie, bildeten sich gewaltigen Pfropfen aus erkaltetem Material, in denen die Erdbebenwellen gebremst werden. Forte und Mitrovica, die in ihrer Veröffentlichung die Forschungsergebnisse aus verschiedenen Fachgebieten bündeln, räumen mit dieser Theorie auf. Demnach sind die Blasen stetig in Bewegung und tragen somit zum Auf und Ab im Erdmantel bei.

Dank ihrer neuen Erkenntnisse hoffen die Kanadier, künftig bessere Prognosen zu Veränderungen des Meeresspiegels, der Topografie und des Klimas abgeben zu können. Die Forschungsergebnisse könnten zudem helfen, Prozesse auf anderen Planeten wie der Venus oder dem Mars besser zu verstehen.