Geschüttelt, nicht gerührt

Das Erdinnere ist in ständiger Bewegung. Neue Untersuchung zeigen jetzt, dass riesige, aufsteigende Pilze heißen Gesteinsmaterials aus dem Erdinneren möglicherweise für geologische Phänomene wie Kontinentbewegungen, Erdbeben und Vulkanismus, aber auch für Klimaveränderungen verantwortlich sind.

Dies berichten die Physiker Alessandro Forte von der University of Western Ontario und Jerry Mitrovica von der University of Toronto in der aktuellen Ausgabe von "Nature". Die beiden Forscher versuchten mit dem jetzt vorgestellten Modell zu klären, wie sich die Erde von den innersten zu den äußersten Schichten im Laufe der Zeit geändert hat.

Forte und Mitrovica entdeckten im Erdmantel gigantische Transportkanäle oder 'Plumes', in denen heißes Material aus tieferen Erdschichten nach oben befördert wird. Die neue Theorie ergänzt das schon bestehende Modell der Plattentektonik. Dieses beschreibt die Erde aus mehreren großen Platten bestehend, die sich in ständiger Bewegung befinden.

Die Plattentektonik...

...versucht dynamische Vorgänge in der Lithosphäre wie die Entstehung von Gebirgen, die Bewegungen der Ozeanböden, die Erdbeben- und Vulkanzonen sowie die Kontinental-Verschiebung zu erklären. Danach ist die Lithosphäre in mehrere, 100-150 km dicke Platten zerlegt, die auf dem zähflüssigen Erdmantel gegeneinander bewegt werden. Bewegen sich Platten aufeinander zu, so entstehen Gebirge oder vulkanische Inselbögen. Schließlich können sich Platten horizontal aneinander vorbeibewegen. Als Motor der Bewegung werden Wärmeströmungen im Erdmantel angenommen. Die Plattentektonik unterscheidet sechs große Platten (afrikanische, amerikanische, antarktische, eurasiatische, indo-australische, pazifische), zwischen die kleinere eingeschaltet sind.

Die Darstellung zeigt die Struktur des Erdmantels und die Plumes, durch die heißes Material aus darunter liegenden Erdschichten aufsteigt.

Zwei riesige Gebiete

Die Physiker entdeckten zwei riesige Gebiete, in denen kaltes Material in das Innere der Erde zurücksinkt und zwei ebenso große Plumes, in denen heißes Material aus Hunderten von Kilometern Tiefe wieder nach oben steigt.

Die ersten Hinweise auf die gewaltigen vertikalen Transportkanäle fanden die Wissenschaftler bei der geophysikalischen Auswertung von Erdbebenwellen, mit denen sie das Innere der Erde bis zum Rand des Erdkerns untersuchen können. Dabei arbeiteten die Wissenschaftler mit der sogenannten 'seismischen Tomographie', das geologische Äquivalent zur medizinischen Computertomographie.

Erdbebenwellen geben Aufschluss

Die durch die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Bebenwellen erzeugten Bilder zeigten, dass tief unter den Rändern des Pazifik zwei große Gebiete existierten, in denen die Erdbebenwellen sich schneller ausbreiten. Unter dem zentralen Pazifik und unter Afrika hingegen befinden sich zwei riesige Plume-artige Regionen, in denen die Wellen deutlich langsamer werden.

In den "schnelleren" Gebieten sinkt schweres Krustenmaterial in Richtung Erdkern, in den langsameren steigt heißes, möglicherweise seit Entstehung der Erde unverändertes Material wieder auf, schreiben die Wissenschaftler.

Riftbildung, Plumes und Vulkanismus

Rifts sind tektonische Depressionen, in deren Bereich die Lithosphäre ausgedünnt ist. Sie können durch heiße Aufwärtsströme aus dem tieferen Erdmantel, sogenannte Plumes, entstehen. Der Aufwärtsstrom heißen Materials führt zur Aufwölbung und zur Ausdünnung der Lithosphäre. Rifts können auch durch Plattenrandkräfte verursacht werden. In beiden Fällen kommt es zur Schmelzbildung im Erdmantel unter dem Rift. Die gebildeten Schmelzen können sich sammeln und aufgrund ihrer geringen Dichte durch die Lithosphäre aufsteigen. Viele Magmen gelangen dadurch an die Erdoberfläche, wo sie mitunter spektakuläre Vulkane bilden. Schreitet die Extension im Rift weiter fort, wird die kontinentale Lithosphäre durch Magma ersetzt, und es bildet sich ein Meer (z.B. Rotes Meer).

Aktiver als gedacht

Während viele Wissenschaftler bisher dachten, dass die Plumes seit der frühen Evolution der Erde ortsfest sind, zeigen Forte und Mitrovica nun, dass sie aufsteigen und sich gegen die Erdkruste stemmen.

Deshalb liege beispielweise Südafrika heute 1000 Meter höher als Nordafrika. Die kühleren und dichteren Regionen unter den Rändern des Pazifik drängen dagegen in die Tiefe. Das Ergebnis ist ein riesiges, globales Konvektionssystem, dessen 'Blasen' bis an die Grenze des Erdkerns reichen.

Auch Venus, Mars und Merkur erforschen

Nun wollen die Physiker mit ihrer Theorie nicht nur Struktur und Geschichte der Erde simulieren, sondern auch mittels der neuen Erkenntnisse Venus, Mars oder Merkur unter die Lupe nehmen.

"Wir sind auf einen Mechanismus gestoßen, der gigantische Ausmaße hat und zugleich bemerkenswert simpel strukturiert ist und einfach funktioniert", meint Forte, und sein Kollege Mitrovica fügt hinzu, dass sich nun die ewigen Debatten beenden lassen, die die Geowissenschaften seit beherrschen.

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Physik der University of Toronto