Fiel das Leben vom Himmel?

Das Leben auf der Erde hat sich in den Wogen der Ozeane entwickelt, das ist wissenschaftlich anerkannte Lehrmeinung. Eine internationale Wissenschaftlergruppe macht nun mit einer vollkommen konträren Theorie Furore. Danach soll sich das Leben in kleinen Wassertröpfchen in der Luft entwickelt haben.

Nach einem Bericht des Magazins "New Scientist" stellten die Forscher um Adrian Tuck vom Atmosphärenlabor der amerikanischen Wetterbehörde NOAA ihre Thesen auf einer Meteorologenkonferenz in Cambridge vor. Grundlage sind Forschungen des NOAA-Wissenschaftlers Daniel Murphy. Dieser hatte festgestellt, dass Meerwassertröpfchen in der Atmosphäre, so genannte Aerosole, große Anteile organischen Materials beinhalten, manchmal bis zu 50 Prozent.

Die Gruppe um Tuck fand nun heraus, warum das so ist. Wenn Wasser, etwa durch Wellenbewegungen, den Ozean verlässt, werden die Tröpfchen mit einer Schicht organischer Moleküle umgeben. Diese stammt von einem feinen ölartigen Belag, der sich an der Oberfläche der Weltmeere befinden soll. Die Tröpfchen "sehen aus wie Urzellen, mit einer Schicht organischen Materials an der Außenseite", erklärt Adrian Tuck.

In der Atmosphäre könnten die flüssigen Aerosole mit anderen Partikel verschmelzen, die eventuell Eisen oder Nickel enthalten, die aus verglühten Meteoriten stammen. Nach Angaben der Forscher bleiben die Aerosole bis zu einem Jahr in der Stratosphäre. "Die haben eine Menge Zeit, um verschiedene Sachen aufzusammeln", erklärt Daniel Murphy salopp.

Die Tröpfchen könnten eine Art abgeschlossenen Raum für chemische Reaktionen dieser Substanzen darstellen, so die Theorie der Wissenschaftler um Tuck. Durch das Verdunsten des Wassers würde die Stoffkonzentration ansteigen, was zusammen mit der starken Sonneneinstrahlung Reaktionen erleichtert.

Eine Doppelmembran, ähnlich der jeder lebenden Zelle, könnte um diese Reaktionsräume entstehen, wenn die Tropfen wieder in den Ozean fallen und mit einer weiteren dünnen organischen Schicht überzogen werden. Da der Wiedereintritt wahrscheinlich an einer anderen Stelle des Meeres erfolgt, wäre es möglich, dass die zweite Schicht eine andere chemische Zusammensetzung aufweist. Das, so Adrian class=SpellE>Tuck, sei ein Charakteristikum von Bakterien, welches bisher schwer zu erklären gewesen sei. Die Tröpfchen müssten außerdem auch ungefähr die Größe von Bakterien haben. Das liege daran, dass nur Partikel zwischen 0,1 und 5 Mikrometern Größe in die obere Atmosphäre gelangen könnten.

Experten bezeichneten die Theorie als interessant und innovativ. Michael Russel vom Research and Reactor Centre der schottischen Universität in Glasgow schränkte allerdings ein, dass es sich auch um zufällige Übereinstimmungen handeln könne. Tuck will seine Theorie, sobald dies technisch möglich ist, mit Hilfe von Simulationscomputern überprüfen.