Fertig zum Beamen

Physiker üben sich in der Teleportation. Noch werden Lichtteilchen übertragen, bald sollen Moleküle und Viren folgen

von Rainer Kayser

Kein anderes Gerät an Bord der Enterprise sei weniger plausibel, mokierte sich der Physiker Lawrence Krauss vor drei Jahren in seinem Buch Die Physik von Star Trek. Krauss' Urteil galt dem "Transporter", jener Einrichtung, mit welcher die Enterprise-Crew Gegenstände und Menschen in Sekundenbruchteilen zu einem Planeten hinunter- oder zu sich herauf"beamt".

Heute scheint es fast, als sei die Kritik voreilig gewesen: Mehreren Forscherteams gelang die Teleportation von Elementarteilchen - und schon wird darüber spekuliert, ob man vielleicht in zehn Jahren Moleküle oder gar Viren mittels geheimnisvoller Quanteneffekte durch den Äther senden kann.

Auf den ersten Blick haben die Experimente von Anton Zeilinger an der Universität Innsbruck oder Jeff Kimble am Caltech-Institut in Kalifornien wenig mit dem Transporter der Star-Trek-Serie gemein: ein verwirrendes Labyrinth von Spiegeln und Polarisationsfiltern, Lasern und Detektoren, in dem Strahlenblitze umhersausen. Auch ihre Vorgehensweise unterscheidet sich grundlegend von dem der Film-Phantasten. Captain Kirk wird beim Beamen jeweils säuberlich in seine subatomaren Bestandteile zerlegt, samt Bauplan zur Enterprise befördert und dort wieder zusammengefügt. Zeilinger und seine Mitarbeiter dagegen transportieren nicht die Teilchen selbst, sondern deren vollständige Beschreibung.

Was zunächst klingt, als sei es weniger, ist tatsächlich mehr: Um irgendein Objekt nach einer Teleportation exakt wiederherzustellen, muß nicht nur Art und Ort jedes seiner Teilchen bekannt sein, sondern gleichzeitig deren exakter Bewegungszustand. Diese "Quantenzustände" sind aber nach den ehernen Regeln der Physik jeder Messung abhold. Während man in der makroskopischen Alltagswelt Gegenständen problemlos Eigenschaften wie Aufenthaltsort, Geschwindigkeit und Drehsinn zuordnen kann, lassen sich Elementarteilchen nur ungern in die Karten schauen: Die Heisenbergsche Unschärferelation vernebelt in der Quantenwelt den Blick der Forscher. Während nach den Regeln der klassischen Physik zum Beispiel ein Elektron in einem Magnetfeld zwei Drehzustände einnehmen kann, links- oder rechtsherum, nimmt es nach den verwirrenden Gesetzen der Quantenmechanik einen Mischzustand ein, der jeder anschaulichen Beschreibung spottet - es ist, als ob bei einer geworfenen Münze gleichzeitig Vorder- und Rückseite oben liegen würden.

Dieser Mischzustand läßt sich allerdings nicht beobachten. Durch eine Messung zwingt man gewissermaßen das Elektron, Farbe zu bekennen und einen der beiden klassisch meßbaren Zustände anzunehmen - ebenso wie auch die Münze bei der Betrachtung entweder Zahl oder Kopf zeigt. Physiker sagen: Die Messung zerstört den Mischzustand. Und da er nicht meßbar ist, läßt er sich auch dem Empfänger nicht mitteilen - sollte man meinen. Die Autoren der Enterprise-Serie lösten das Dilemma mit "Heisenberg-Kompensatoren". Auf die Frage allerdings, wie diese Geräte funktionieren, antwortete der technische Berater von Star Trek, Michael Okuda, schlicht: "Gut, danke!"

Wenn man das eine elementare Teilchen kitzelt, lacht das andere

Vor fünf Jahren stieß der Physiker Charles Bennett vom Watson Research Center der Firma IBM überraschend auf eine Möglichkeit, den Quantenzustand eines Teilchens zwar nicht zu messen, aber gleichwohl mit Hilfe eines Tricks zu einem zweiten Teilchen zu transportieren und auf dieses zu übertragen. Bennetts Quanten-Teleportation macht sich den Umstand zunutze, daß die Zustände mehrerer Teilchen miteinander "verschränkt" sein können - ein weiteres Phänomen, für das es in der klassischen Physik keine Entsprechung gibt.

Auf die seltsame Erscheinung war Albert Einstein 1935 mit seinen Kollegen Boris Podolsky und Nathan Rosen in einem seiner berühmten Gedankenexperimente gestoßen. Teilchen, die miteinander in Wechselwirkung standen, können auch nach einer räumlichen Trennung noch ein Gesamtsystem bilden: Ihre Zustände sind voneinander abhängig oder "verschränkt". Nimmt man an einem der Teilchen eine Messung vor, so bricht nicht nur dessen Mischzustand zusammen, sondern auch der des anderen Partikels. "Verschränkung ist, wenn man das eine Teilchen kitzelt und das andere lacht", witzelt Jeff Kimble über den rätselhaften Vorgang.

Für Einstein bewies die "geisterhafte Fernwirkung" allerdings die Unvollständigkeit der damals noch jungen Quantenmechanik. Woher, so fragte er, weiß das zweite Teilchen von der Messung an seinem Zwilling? Das sogenannte Einstein-Podolsky-Rosen-Phänomen versetzte die Physikergemeinde damals in gehörige Aufregung, schien es doch, als würde hier Information ohne Zeitverzögerung übertragen - im Widerspruch zur Relativitätstheorie, nach der nichts schneller sein kann als das Licht. Doch Einstein hat sich nach allem, was wir heute wissen, geirrt. In zahlreichen Versuchen wurde das EPR-Phänomen mittlerweile nachgewiesen - doch Information läßt sich auf diese Weise nicht übertragen, wie die Physiker rasch bemerkten: Denn die Meßergebnisse an jeweils einem Teilchen eines verschränkten Paares bleiben stets rein zufällig, sie lassen sich nicht beeinflussen und sind von Messungen an einem freien, unverschränkten Teilchen nicht zu unterscheiden. Erst der Vergleich der Meßreihen an beiden verschränkten Teilchen zeigt, daß deren Ergebnisse nicht unabhängig voneinander sind.

Und doch läßt sich, wie Charles Bennett zeigte, mit Hilfe eines Paares verschränkter Teilchen der eigentlich unzugängliche Quantenzustand eines dritten Teilchens übertragen. Auf die Frage allerdings, was denn bei diesem Vorgang übertragen wird, wenn nicht Information, bleibt selbst den Experten kaum mehr als die Flucht ins Abstrakte, die Argumentation mit Hilfe mathematischer Hilbert-Räume, Kommutatoren und quantentheoretischer Projektionen.

Eines immerhin ist sicher: Zur überlichtschnellen Kommunikation taugt die Quanten-Teleportation ebensowenig wie das EPR-Phänomen. Denn der Sender weiß nicht, was er eigentlich überträgt. Er darf es gar nicht wissen: Jede Messung des Mischzustands des zu teleportierenden Teilchens würde ja ebendiesen Zustand zerstören. Hinzu kommt, daß die Übertragung per Quantenkanal unvollständig ist. Es muß zusätzlich auf klassischem Wege Information übermittelt werden, und erst durch das Zusammenfügen von klassischer und Quanten-Information kann der vollständige Zustand des übermittelten Teilchens repliziert werden. Auch für das Beamen stellt also die Lichtgeschwindigkeit ein Tempolimit dar.

Die kleinste Störung kann die Übertragung zunichte machen

Anton Zeilinger und sein Team waren vor einem Jahr die ersten, denen eine solche Teleportation im Labor gelang - allerdings nicht mit einem echten Atom (etwa dem eines Raumschiffkommandanten), sondern zunächst nur mit den höchst einfachen Zuständen von Lichtteilchen (Photonen). Ähnliche Erfolge erzielten auch Francesco De Martini in Rom und Jeff Kimble vom Caltech. Und Ende vergangenen Jahres meldeten Forscher aus Los Alamos, sie hätten erstmalig den Drehsinn eines Atomkerns von einem Atom auf ein anderes teleportiert.

"Im Prinzip könnte man so auch die Zustände makroskopischer Objekte übertragen", meint Anton Zeilinger, der schon in wenigen Jahren Moleküle teleportieren will. Doch noch weiß auch er nicht, wie sich die Verschränkung bei großen Teilchenmengen aufrechterhalten lassen könnte - jede kleine Störung von außen vermag den delikaten Zustand zu zerstören, und vorbei ist es mit der Teleportation. Und von Science-fiction-Visionen wäre eine solche Übertragung ohnehin weit entfernt: Um nämlich den Zustand eines Moleküls zu übertragen, wäre bereits ein Paar verschränkter Moleküle gleicher Machart vonnöten - für einen Menschen, der aus Abermilliarden Molekülen besteht, ist diese Methode der Teleportation also denkbar ungeeignet.

Immerhin wird in Zeilingers Labor gegenwärtig an einer Methode gebastelt, Quantenzustände von Photonen auf Atome zu übertragen. Damit würde sich unter Umständen die Möglichkeit eröffnen, die Quantenzustände materieller Objekte vermittels verschränkter Photonenpaare zu übertragen. Trotzdem, so betont Zeilinger, bleibt die Teleportation größerer Objekte natürlich Spekulation, wenngleich eine spannende. Wichtig könnte der Effekt indes für den Bau von Quantencomputern sein. Denn dort plagt man sich unter anderem mit der störungsfreien Übertragung von Quantenzuständen herum. Die Teleportation könnte die ideale Lösung für dieses Problem sein.

Selbst wenn sich eines Tages tatsächlich die Zustände größerer Moleküle teleportieren lassen sollten - die Übertragung eines aus Myriaden von Teilchen bestehenden Menschen würde schon durch die schiere Menge an klassischer Information die Möglichkeiten der Datenübermittlung restlos überfordern. Selbst bei einer futuristischen Übertragungsrate von einem Terabyte pro Sekunde benötigte man dafür mehrere hundert Milliarden Jahre, ein paarmal das Alter unseres Universums.

Es wird daher auf absehbare Zeit schneller und sicherer bleiben, im Originalkörper zu verreisen, statt sich einem "Transporter" anzuvertrauen. Auch der Umstand, daß bei der Quanten-Teleportation stets das Original zerstört wird, läßt sie als Verkehrsmittel der Zukunft wenig einladend erscheinen. Rein theoretisch mag man argumentieren, daß Atome keine individuelle Identität besitzen. Ob Captain Kirk am Zielort aus seinen Original-Atomen oder aus vor Ort gesammelter Weltraummaterie zusammengesetzt wird, ist physikalisch egal - der gebeamte Körper wäre mit dem Original identisch. Aber ob die Seele den Transport mitmacht? "Darauf kann die Physik keine Antwort geben", gesteht Anton Zeilinger. Jeff Kimble jedenfalls hätte keine Angst, als seelenloser Zombie am Zielort wiederzuentstehen: "Wenn es technisch möglich wäre - ich würde es ausprobieren!"

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