Explosion aus den Urzeiten des Universums

Die Nachwehen einer kosmischen Explosion vor vermutlich elf Milliarden Jahre haben Astronomen in Chile registriert. Die Wissenschaftler erhoffen sich neue Aufschlüsse über die Entstehung des Universums.

Die Strahlung der Explosion, einem so genannten Gamma-Burst, wurde von mehreren, über das Sonnensystem verteilten Sonden registriert. Doch die Astronomen brauchten acht Monate, um den genauen Ursprung und das Alter der intensiven Strahlungsblitze im Gammastrahlenbereich zu berechnen. GRB 000131, wie der Gamma-Burst getauft wurde, liegt im südlichen Sternbild des Schiffkiels.

Erste Untersuchungen deuten darauf hin, dass der Gammaausbruch von einem sterbenden Stern stammen könnte, der 30-mal so groß war wie unsere Sonne - und das zu einem Zeitpunkt, als das Universum gerade einmal ein Zehntel seines jetzigen Alters hinter sich hatte.

"Das Licht dieses gigantischen Blitzes hat mehr als elf Milliarden Jahre gebraucht, bis es die Erde erreicht hat", sagt Kevin Hurley von der US-amerikanischen University of California in Berkeley. "Das eröffnet uns hoffentlich neue Möglichkeiten, Galaxien des jungen Universum zu entdecken und zu erforschen."

Bislang galt GRB 971214, ein Ende 1997 entdeckter Gamma-Burst, als die am weitesten von der Erde entfernte hoch intensive Gammaquelle - mit einer Distanz von immerhin neun Milliarden Lichtjahren. "Wenn das die Olympischen Spiele wären, hätten wir jetzt die Goldmedaille", sagt Hurley.

Auf dem Siegerpodest können sich die Wissenschaftler trotzdem nicht ausruhen, denn was die extrem starken Ausbrüche verursacht, ist noch immer ein Rätsel. Viele Forscher gehen bislang davon aus, dass es sich um weit entfernte Explosionen handelt. Erst vor kurzem ist es zudem gelungen, einen Zusammenhang zwischen Gamma-Bursts und so genannten Hypernovä herzustellen - außergewöhnlich starke Supernovä, bei denen Sterne unter ihrem eigenen Gewicht kollabieren.

Gamma-Bursts können von einigen Hundertstel Sekunden bis zu einer Viertelstunde dauern. Auf ihrem Höhepunkt stellen sie, so Hurley, die bei weitem stärksten Gammastrahler im bislang bekannten Universum dar. In nur wenigen Sekunden erzeugen sie mehr Energie als unsere Sonne während ihres gesamten Lebens.

Die im InterPlanetary Network zusammengeschlossenen Sonden Ulysses, Near und Wind sowie der italienische Bepposax-Satellit registrieren im Schnitt einmal pro Woche einen Gamma-Burst. Da sich die Sonden und Satelliten an unterschiedlichen Orten im All befinden, kann anhand der unterschiedlichen Zeiten, zu denen sie die Gammastrahlen aufnehmen, die Richtung des Bursts ermittelt werden.

Da Gammastrahlung von der Atmosphäre absorbiert wird, lässt sich GRB 000131 von der Erde aus nicht direkt beobachten. Astronomen am European Southern Observatory in Chile ist es allerdings gelungen, ein sehr schwaches optisches Leuchten im entsprechenden Bereich des Nachthimmels ausfindig zu machen.

Über mehrere Nächte hinweg wurden in La Silla die schnell verblassenden Nachwehen des Bursts untersucht. Bereits am zweiten Tag der Beobachtung war das Leuchten 30-Millionen-mal schwächer als ein mit dem Auge gerade noch sichtbares Licht am Nachthimmel.

Die Untersuchungen brachten eine deutliche Rotverschiebung zu Tage, ein Zeichen dafür, dass sich der Burst mit einer hohen Geschwindigkeit von der Erde wegbewegt. Spektraluntersuchungen führten schließlich zu einer Rotverschiebung von 4,5 - äquivalent zu einem Alter von rund elf Milliarden Jahren. Der gewaltige Gammaausbruch muss sich demnach zu einer Zeit ereignet haben, als unsere eigene Galaxie, die Milchstraße, gerade entstand.

Da sich Gammastrahlung ungedämpft durch das gesamte Universum ausbreitet, hoffen Experten auf neue Aufschlüsse über weit entfernte Galaxien. So kann die Reise durchs All die Strahlen auf vielfältige Weise verändern: Wasserstoffatome absorbieren Teile des Spektrums, Galaxien können die Wellen beugen und ihnen eine neue Richtung geben. Der Effekt, den Materie und Galaxien auf das weit entfernte Licht haben können, mache das Studium der Gammaausbrüche erst so richtig interessant, sagt Hurley.

"Jede neue Erkenntnis über Gamma-Bursts kam für uns bislang völlig überraschend", so der Wissenschaftler. "Das gibt uns Hoffnung, dass wir tatsächlich noch weiter in die Vergangenheit des Universums blicken können."