Eismassen schmelzen auch ohne Treibhauseffekt

Die Eisdecke in der Westantarktis schmilzt seit Jahrtausenden - und nicht erst im Zuge der globalen Erwärmung, die viele Experten auf die Treibhausgase zurückführen.

Washington - Der vom Brennstoffverbrauch und anderen Faktoren der Industrialisierung geförderte Treibhauseffekt könne den Rückgang der Eisdecke zwar beschleunigen, berichtet ein US-amerikanisches Forscherteam im Wissenschaftsmagazin "Science". Aber das Schmelzen würde sich ihrer Erkenntnis nach auch ohne Einfluss des Menschen fortsetzen.

Der Geophysiker Howard Conway von der Universität von Washington in Seattle und Kollegen glauben, dass der "Kollaps (der Eismassen) Teil eines fortlaufenden, natürlichen Zyklus ... seit Ende des letzten Eiszeitalters ist". Sie untersuchten Küstenstreifen in der Westantarktis und machten Radaraufnahmen von der Eisdecke unter der Wasseroberfläche, um historische Veränderungen nachvollziehen zu können. Das Team kam zu dem Schluss, dass sich die Eisdecke der Westantarktis, die derzeit noch etwa die Fläche Deutschlands hat, in weiteren 7000 Jahren komplett aufgelöst haben wird.

Im Zuge dieses Prozesses dürfte der Meeresspiegel weltweit um etwa fünf bis sieben Meter steigen und zahlreiche kleine Inseln sowie niedrige Küstengebiete für immer überfluten. Nach anderer Berechnung wird die globale Meeresspiegel bereits in 100 Jahren einen halben Meter höher liegen und damit die Existenz vieler tropischer und subtropischer Inselparadiese gefährden.

Der Grund für die besondere Anfälligkeit der westantarktischen Eisdecke ist ihre Lage, schreiben die Forscher. Sie ruht auf der antarktischen Landmasse, die niedriger ist als der Meeresspiegel. Daher sei sie der Erwärmung durch das steigende Wasser besonders stark ausgesetzt. Aus der Studie von Conway und Kollegen geht auch hervor, dass der frei schwimmende Eiskoloss Roosevelt Island in der Ross-See der Antarktis im vergangenem Eiszeltalter gut 500 Meter höher war und auf Land auflag.

Andere Studien in "Science" berichten, dass Bohrproben aus der Tiefe der westantarktischen Eisdecke winzige Kieselalgen ans Tageslicht gefördert haben. Kieselalgen brauchen offenes Wasser zum Bau ihrer Kolonien. Aus dem Fund schließen die Wissenschaftler, dass die Region der Westantarktis einmal ganz frei war von Eis. Nach ihrer Schätzung dürfte diese Wärmephase zwischen den beiden vergangenen Eiszeiten gelegen haben und etwa 130.000 Jahre zurückliegen.