Durchblick mit Billionen Hertz

Physiker entwickelten ein neues Durchleuchtungsverfahren mit detektivischen Qualitäten

Der Arzt wird sie zur Krebsfrüherkennung einsetzen, die Post zum Aufspüren von Brief- und Paketbomben. Die Industrie kann sie zur Qualitätskontrolle nutzen und ein Hausbesitzer zum Lokalisieren von Gas- oder Wasserleckagen: T-Rays, elektromagnetische Strahlen mit Wellenlängen zwischen Radiowellen und Infrarotlicht, werden eine der wichtigen Technologien der Zukunft sein. Das jedenfalls glauben Bin Bin Hu und Martin Nuss von den AT&T Bell Laboratories in Holmdel, New Jersey. Durch Zufall haben die Physiker beim Testen elektronischer Hochgeschwindigkeits-Schaltkreise mit Hilfe von T-Rays entdeckt, daß diese Strahlung die innere Struktur von Materie abbilden kann. Sogar die chemische Zusammensetzung ist mit Hilfe dieser Wellen zu ermitteln. "T-Rays kann man sich als sehr hochfrequente Radiowellen oder als sehr niedrigfrequente Intrarotstrahlung vorstellen", erläutert Nuss. Die Frequenzen liegen im Bereich von Billionen Hertz (Tera-Hertz), und sie durchdringen trockene elektrisch nichtleitende Stoffe wie Plastik Pappe Holz oder Glas sehr leicht. Von anderen Substanzen, Wasser etwa, werden sie hingegen stärker absorbiert. Aus der unterschiedlichen Durchlässigkeit einzelner Materialien in einer Probe läßt sich deshalb, wie bei der Durchleuchtung mit Röntgenstrahlung, ein Bild konstruieren. Stark absorbierende Bereiche erscheinen dunkel, schwach absorbierende, die T-Rays fast ungeschwächt durchlassen, hell. Die Funktion der fotografischen Platte bei der Röntgenuntersuchung übernimmt bei der T-Ray-Durchleuchtung ein Detektor; ein Computer analysiert die Signale und setzt das Bild auf dem Bildschirm zusammen. Die Auflösung beträgt zur Zeit 0,25 Millimeter. Bei der Wechselwirkung von T-Rays mit Materie verändert sich nicht nur die Intensität der Wellen, sondern Absorption, Reflexion und Streuung verzerren auch die Wellenform. Die Art der Verzerrung ist charakteristisch für die chemische Zusammensetzung der Probe; so läßt sich beispielsweise von außen erkennen, ob in einem Paket eine Banane oder eine Bombe verpackt ist. Gase lassen sich besonders gut analysieren. Selbst Kohlendioxid ist von Kohlenmonoxid zu unterscheiden. Auch die Identifizierung von Wasser macht keine Probleme. So haben Bin Bin Hu und Martin Nuss bei einem ihrer ersten Versuche Schinkenspeck durchleuchtet. Ergebnis; Die Fettanteile, die kaum Wasser enthalten, sind auf dem Monitor deutlich von den wasserreichen Fleischanteilen zu unterscheiden. "Im Gegensatz zur Röntgenstrahlung ist unsere T-Ray-Technik sicher, zerstörungsfrei und nicht gesundheitsschädigend", schwärmen die Forscher. "Sie sind daher eine mögliche Alternative für Sicherheitschecks und Gepäckkontrollen." Nach Ansicht des Physikers Jeffrey Bokor von der University of California in Berkeley werden die Möglichkeiten der neuen Technik sogar noch unterschätzt; "Traditionell haben wir diesen sehr schwierigen Bereich des elektromagnetischen Spektrums bei unserer Forschung gemieden aber mit dieser neuen Möglichkeit werden sich sicher völlig neue, noch unbekannte Anwendungen ergeben." Ein Spin-off-Effekt Iäßt sich schon heute vorhersagen: Da T-Rays durch Papier "sehen" können wie durch Glas - Nuss konnte seine Visitenkarte durch einen geschlossenen Briefumschlag lesen -, ist mit einem neuen Markt für mit Metallfolie ausgekleidete Briefumschläge zu rechnen.