Die RNA-Welt

Eines der spannendsten Forschungsgebiete ist zweifellos die Entstehung des Lebens und die Evolution der einfachsten Lebensform zu jetzigen komplexen Lebewesen, wie der Mensch. Zwischen der Entstehung der Himmelskörper, den chemischen Verbindungen, die eine lebende Zelle aufbauen, und der lebenden Zelle selbst gab es viele Zwischenstufen. Eine mögliche Zwischenstufe, die seit bald zwanzig Jahren untersucht wird, ist die RNA-Welt.

Das Dilemma der Evolutionsforschung

So wie die Geschichtsforschung muss auch die Evolutionsforschung viele Informationen sammeln und versuchen, aus vielen unzusammenhängenden Bildern ein kompletteres Gesamtbild zu entwerfen. Dazu gehört viel Intuition und Phantasie und am Ende weiß man nicht, ob das Modell stimmt oder nicht. Die Methoden sind mit Fehlern behaftet, und es sind keine Experimente möglich, um das Model zu testen, da die Evolution im Labor nicht nachvollzogen werden kann. Evolutionsereignisse sind nämlich einmalig (so ist wenigstens die jetzige Vorstellung).

Was sehr wohl gemacht werden kann, sind Evolutionsexperimente, die zeigen sollen, dass die vorgeschlagenen Prozesse wenigstens prinzipiell und chemisch möglich waren. Die endgültige Gewissheit, wie das Leben entstanden ist, werden wir nie haben. Aus diesem Dilemma wird die Evolutionsforschung nie heraus kommen. Sie kann aber sehr wohl immer komplexere Bilder schaffen und versuchen der Wahrheit Stück für Stück näher zu kommen.

Die Entstehung der genetischen Information

Die RNA-Welt Theorie möchte die Frage beantworten, welches chemische Molekül als erstes vererbbare Information speichern und weiter geben konnte.

Die heute lebenden Zellen speichern ihre genetische Information in der DNA (Desoxyribonukleinsäure). Da jedoch Enzyme notwendig sind, um DNA herzustellen, und die Information, wie diese Enzyme aufgebaut sind, in der DNA gespeichert sind, stellt sich die "Henne- oder Eifrage": Was kam zuerst, die Enzyme oder die DNA? Die heute bevorzugte Meinung sagt: weder Enzyme noch DNA, sondern eine alternative chemische Verbindung, die RNA.

Warum RNA?

RNA steht für Ribonukleinsäure. Sie ist der DNA sehr ähnlich, besitzt die fast gleichen 4 Bausteine (Adenin, Cytosin, Guanin und Uracil statt Thymin) und trägt an der Ribose (dem Zucker der DNA) ein zusätzliches Sauerstoffatom.

Diese kleinen chemischen Unterschiede haben aber eine wichtige Konsequenz: RNA ist chemisch viel aktiver als DNA und sie kann sowohl wie die DNA genetische Information speichern, aber auch wie die Enzyme chemische Reaktionen katalysieren. RNA kann also die Aufgaben der Enzyme und der DNA erfüllen. Daraus entsteht natürlich sofort die Frage: War die RNA das erste biologisch aktive Molekül?

Diese Frage ist ein Paradebeispiel für eine Evolutionsfrage. Wie können wir diese Frage beantworten? Wir waren ja damals nicht dabei! Nun beginnt das Sammeln von Beobachtungen, von Daten, das Durchführen von Experimenten, um zuerst eine Theorie aufzustellen und diese dann zu bestärken oder zu widerlegen. Experimente und Argumente gegen diese Theorie sind natürlich ebenso wichtig wie die Pro-Argumente. Wie gehen wir jetzt vor?

Die Suche nach Fossilien

Gibt es noch Relikte aus der RNA-Welt? Bevor wir mit aufwendigen Experimenten anfangen, schauen wir einmal etwas genauer ob es nicht schon Hinweise gibt, die unsere RNA-Welt Theorie unterstützen.

Es gehört zu den spannendsten Dingen im Leben, von WissenschaftlerInnen frühere Experimente mit einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Die Hinweise auf eine frühere RNA-Welt während der RNA-Moleküle den Stoffwechsel steuerten und die genetische Informartion speicherten sind vielfältig. So zum Beispiel speichern viele Viren heute noch ihre genetische Information in Form von RNA. HIV, der Erreger von AIDS, ist ein RNA Virus.

Heute noch werden viele RNA Moleküle in DNA umgeschrieben durch Enzyme, die Reverse-Transkriptase genannt werden. Es ist also durchaus vorstellbar, dass im Laufe der Evolution RNA in DNA umgeschrieben wurde, da DNA viel stabiler ist als RNA und die Stabilität natürlich ein sehr wichtiger Aspekt für ein Molekül ist, welches etwas speichern soll.

Der überzeugendste Hinweis, dass RNA vor den Enzymen und der DNA existiert hat, ist seit diesem Sommer bekannt. Seit August 2000 haben wir die Gewissheit, dass es RNA Moleküle sind, die Proteine herstellen. RNA Moleküle können nicht nur die Informations wie Enzyme aufgebaut sinds speichern, sie können dessen chemische Synthese auch katalysieren.

Experimente zur Unterstützung der RNA-Welt Theorie

Um zu zeigen, dass RNA in der Lage ist, alle chemischen Reaktionen zu katalysieren, die notwendig sind, um einen Stoffwechsel aufrecht zuhalten, ist langwierig. Dazu brauchen wir Moleküle, die heute höchstwahrscheinlich nicht mehr existieren. Heute haben ja die Enzyme die meisten dieser Aufgaben übernommen.

Wie wir dieser Frage nachgehen, werde ich Ihnen in meinem nächsten Beitrag erzählen. SELEX ist eine Methode, mit der RNA-Moleküle mit neuen Eigenschaften im Labor neu selektiert werden können.

Mehr zur RNA-Welt