Die Mini-Supernova

Mitte der neunziger Jahre gelang es erstmalig, einen bizarren Zustand von Atomen herzustellen: das so genannte Bose-Einstein-Kondensat. Nun beschreiben US-Physiker eine neue überraschende Eigenschaft jener Quantenwelten.

Unter bestimmten Bedingungen zieht sich nämlich jene ultrakalte Atomwolke des Bose-Einstein-Kondensats zusammen, um kurz darauf zu explodieren - eine Supernova (Sternenexplosion) im Kleinen.

Einsteins Vermutung in den 20ern

Albert Einstein vermutete bereits Mitte der 20er Jahre, dass bestimmte Teilchen bei sehr tiefen Temperaturen kollektiv ein und denselben Zustand besetzen müssten. Bei diesen Teilchen handelt es sich um Bosonen. Zu ihnen gehören einige Isotope, wie beispielsweise das Rubidium-85.

Es dauerte allerdings noch bis zum Jahr 1995, bis es Carl Wieman and Eric Cornell am Joint Institute of Laboratory Astrophysics (JILA) in Boulder, Colorado, gelang, das Bose-Einstein-Kondensat im Labor zu erzeugen.

Bose-Einstein-Kondensat

Expansion eines Bose-Einstein-Kondensates.

Bose-Einstein-Kondensat 1

Man kühlt Rubidiumatome auf Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt (-273 Grad Celsius) ab. Damit wird erreicht, dass sie sich kurzzeitig wie ein einziges Superatom verhalten: Alle haben dieselben physikalischen Eigenschaften und die gleiche Energie. Ein solches Bose-Einstein-Kondensat ermöglicht eine neuartige Kontrolle über Atome. Die Voraussetzung ist allerdings, dass es sich um Bosonen handelt, also Teilchen mit ganzzahligem Spin. Dies besagt, dass die Wellenfunktionen von Bosonen bei extremer Kühlung zu einer einzigen verschmilzt, nämlich der des Superatoms. In diesem Zustand werden die einzelnen Atome ununterscheidbar, da die Wellenfunktion sämtliche physikalische Eigenschaften beschreibt.

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Kuriose Effekte

In den letzten Jahren wurde das eigentümliche Quantengas eingehend untersucht und viele überraschende und kuriose Effekte kamen zum Vorschein, die allein die Quantenmechanik zu erklären vermag. Demnach verhalten sich die Atome nicht mehr als Individuen, sondern sind vielmehr als ein einziges "Superatom" aufzufassen, das durch eine so genannte Materiewelle beschrieben wird.

Wieman führte mit seinem Team nun Experimente bei nur drei Nanokelvin durch - einer der tiefesten Temperaturen, die jemals verwendet wurden. Dabei untersuchten die Physiker die Dynamik der Materiewelle, indem sie das Magnetfeld, das die Rubidium-85-Atome auf kleinem Raum festhält, gezielt variierten. So gelang es ihnen, zwischen anziehender und abstoßender Wechselwirkung beliebig hin und her zu schalten.

Kleines kaltes Überbleibsel

War die Wechselwirkung leicht abstoßend, so quoll das Bose-Einstein-Kondensat auf, ganz wie theoretisch vorhergesagt. Stellten die Wissenschaftler das System jedoch auf Anziehung, so tat sich Seltsames: Zunächst schrumpfte das Kondensat, wie erwartet. Doch dann, anstelle sich zu einem Klumpen zusammen zu ziehen, explodierte es und hinterließ ein kleines kaltes Überbleibsel inmitten einer expandierenden Wolke.

Weiterhin stellten die Physiker fest, dass sich von den ursprünglichen Atomen innerhalb des Kondensats die Hälfte aufgelöst hatten.

Bose-Einstein-Kondensat 2

Normalerweise lassen sich solche quantenmechanischen Effekte wie die Welleneigenschaften von Teilchen an Objekten alltäglicher Größe nicht unmittelbar wahrnehmen. Denn sie schwingen alle mit unterschiedlichen Phasen. Doch bei der Bose-Einstein-Kondensation beginnt jede einzelne Atomwelle exakt gleichphasig mit allen anderen zu schwingen. Die quantenmechanische Wellenfunktion erstreckt sich dann über das gesamte Kondensat und wird mit bloßem Auge sichtbar: Der Mikrokosmos stellt sich makroskopisch dar.

Bosenova - Supernova im Kleinen

Da das Phänomen sehr an eine Supernova im Kleinen erinnert, gaben die Physiker ihm den Namen Bosenova. Das Schleierhafte an ihrem Auftreten ist, dass die physikalische Ursache gänzlich unbekannt ist.

"Wir dachten, dass das Verhalten isolierter Atome im Allgemeinen und das des Bose-Einstein-Kondensats im Besonderen sehr gut verstanden ist und sich genau berechnen lässt", meint Wieman.

"Die theoretischen Berechnungen sagen jedoch in diesem Fall ein gänzlich anderes Verhalten voraus, als wir es beobachtet haben. Daher muss der grundlegende Prozess, der für eine Bosenova verantwortlich ist, etwas Neues sein und sich von dem unterscheiden, was bisher angenommen wurde."

Atomphysik des Joint Institute of Laboratory Astrophysics (JILA)