Der Dynamo der Erde

Erstmals ist es gelungen, das Erdmagnetfeld im Experiment nachzubilden

Das irdische Magnetfeld ist eines der großen, noch immer nicht vollständig gelösten Rätsel der Wissenschaft. Flüssiges, sich im Erdkern bewegendes und elektrisch leitendes Magma, so nehmen die Geologen seit langem an, erzeugt einen elektrischen Stromfluss und damit auch das Magnetfeld - ähnlich den Vorgängen in einem Fahrrad-Dynamo. Doch wie das im Detail geschieht und weshalb sich beispielsweise die Polung des Erdmagnetfeldes in unregelmäßigen Abständen geändert hat, sind offene Fragen.

Ein Modell des Dynamos, der das Magnetfeld der Erde antreibt: Im Erdkern bewegt sich flüssiges Metall in schraubenförmigen Bahnen parallel zur Erdachse

© Grafik: Harald Blanck nach Forschungszentrum Karlsruhe / GEO MAGAZIN 2000

In Computersimulationen wurden bereits einige Eigenschaften des Geodynamos nachgebildet, doch experimentell ist es bisher noch nicht einmal gelungen, dessen physikalischen Grundmechanismus nachzuweisen: den so genannten Alpha-Effekt. Der besagt, dass eine elektrisch leitende Flüssigkeit, die sich schnell auf schraubenförmigen Bahnen bewegt, ein Magnetfeld erzeugt, das sich aus sich selbst erhält.

Jetzt haben zwei Forschergruppen fast gleichzeitig im Labor einen vereinfachten Geodynamo geschaffen. Wissenschaftler vom Forschungszentrum Rossendorf bei Dresden waren in Riga an der Geburt eines Magnetfeldes aus einem Einzelwirbel flüssigen Natriums beteiligt. Wenige Wochen später gelang am Forschungszentrum Karlsruhe ein Experiment, bei dem erstmals ein permanentes Magnetfeld erzeugt wurde und zehn Minuten lang stabil blieb.

Im Karlsruher Experiment wurde Natrium in einem zylindrischen Behälter durch 52 schraubenförmige, je einen Meter lange Kanäle gepumpt. Die Drehrichtung benachbarter Schrauben war gegensinnig und entsprach der Magma-Bewegung im äußeren Erdkern, dem Ursprung des Erdmagnetfeldes. In dieser 2200 Kilometer dicken Kugelschale wird das Magma, im wesentlichen dünnflüssiges Eisen, durch die Rotation der Erde zu schraubenförmigen Bewegungen parallel zur Erdachse gezwungen.

Beide Versuche wurden mehr als fünf Jahre lang vorbereitet und kosteten mehrere Millionen Mark. Das Problem dabei: Damit der Versuchsaufbau nicht gigantische Ausmaße annahm, musste das verwendete Metall bei niedrigen Temperaturen schmelzen, eine hohe elektrische Leitfähigkeit besitzen und dabei so dünnflüssig sein, dass es schnell gepumpt werden kann.

Diese Eigenschaften hat nur Natrium. Das Alkalimetall schmilzt schon bei 97 Grad Celsius, ist aber sehr aggressiv und entzündet sich beim Kontakt mit Luft. Im Umgang mit diesem "schwierigen Stoff" konnten beide Forschergruppen auf Know-how aus der Kerntechnik zurückgreifen: Natrium war das Kühlmittel für den "Schnellen Brüter".

Als nächstes wollen die Karlsruher Wissenschaftler untersuchen, welche Effekte zu einer Umpolung des Magnetfeldes führen können.

In den letzten tausend Jahren hat die Hauptkomponente des Erdmagnetfeldes, der Dipolanteil, um ein Drittel abgenommen. Hielte dieser Trend an, wäre das Feld in 2000 Jahren verschwunden. Es gab in der Erdgeschichte viele kurzzeitige Perioden der Größenordnung 100 bis 10 000 Jahre, in denen es nahezu kein Magnetfeld gegeben hat - immer kurz vor einer Pol-Umkehr.