Dem Urknall auf der Spur

In Hamburg soll für 52,8 Milliarden Schilling der neue Teilchenbeschleuniger "Tesla" für physikalische Grundlagenforschung entstehen. Entdeckt der Teilchenjäger bislang unentdeckte Partikel?

Deutschlands komplizierteste Wissenschaftsmaschine würde bisher unerreichte Einblicke in den Aufbau und die Entstehung der Materie schaffen, berichtete das federführende Deutsche Elektronen-Synchrotron (Desy) am Freitag in Hamburg.

'Erstrangiges Forschungsangebot'

"Das Vorhaben bietet Deutschland die Möglichkeit, für

Wissenschaftler aus aller Welt zu einem erstrangigen

Forschungsstandort zu werden", sagte Albrecht Wagner, Vorsitzender des Desy-Direktoriums. In einem 33 Kilometer langen Tunnel zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein könnte vom Jahr 2011 an mit bisher unerreichter Kraft der Urknall nachgebildet werden. Die Projektbeschreibung umfasst 1.424 Seiten, an der Planung sind zurzeit 42 wissenschaftliche Institutionen aus zehn Ländern beteiligt.

Noch weitere Teilchen zu identifizieren?

Der "Tera Electron Volt Energy Superconducting Linear Accelerator" (Tesla) soll Physikern unter anderem die Frage beantworten, ob es außer den bereits bekannten noch weitere Elementarteilchen gibt. Erste Hinweise darauf haben die Forscher bereits; der Nachweis steht noch aus.

Zu der geplanten Anlage gehört auch ein neuartiger Röntgenlaser. Dieser überträfe nach Desy-Angaben alle bisher verfügbaren Röntgenquellen bei weitem und würde brillante Einblicke in kleinste Dimensionen erlauben.

Es werde möglich sein, Materialien bis auf ihre atomare Ebene herab räumlich abzubilden, ihre Veränderungen zeitlich zu verfolgen und zu "filmen". Dies unterscheide Tesla von konkurrierenden Projekten für einen Linearbeschleuniger in Japan und den USA.

Was ist Tesla?

Dem Urknall so nahe wie nie

Ein internationales Team von Physikern hat erstmals den Zustand von Materie rekonstruiert, der in den ersten drei Minuten nach dem Urknall geherrscht haben soll.

Genf - Wie Mitarbeiter des Europäischen Labors für Teilchenphysik (Cern) berichteten, gelang es den Forschern, bei insgesamt sieben Experimenten Blei-Ionen so zu beschleunigen, dass eine Temperatur entstand, die mehr als 100.000-mal höher war als im Zentrum der Sonne.

Diese Temperatur und die durch den Teilchenbeschleuniger ebenfalls produzierte hohe Dichte sorgten laut Cern dafür, dass sich die Teilchen in eine Art Ursuppe zurückverwandelten, gefüllt mit frei schwebenden Quarks, also die kleinsten nachweisbaren Teilchen, und Gluonen, den Bindungsstoff in Atomen. Damit wurde der Materie-Zustand nachgebildet, der in dem Zeitraum von rund zehn Mikrosekunden bis etwa drei Minuten nach dem "Big Bang" geherrscht haben soll.

Während dieser Zeitspanne, so glauben die Physiker, bildeten sich aus den Quarks zusammen mit den verbindenden Gluonen die Protonen und Neutronen. Bisher war es noch keinem Forscher gelungen, die erst in den sechziger Jahren entdeckten Quarks aus ihrem Verbund herauszubrechen.

"Wir haben jetzt erstmals den Nachweis für einen Materiezustand, in dem Quarks und Gluonen nicht zusammengebunden sind", erklärte Cern-Generaldirektor Luciano Maiani. "Damit tut sich ein völlig neues Forschungsfeld auf, nämlich die Untersuchung der physikalischen Eigenschaften dieser Quarks-Gluonen-Materie." In der Theorie wurde die Umwandlung der Quarks-Gluonen-Ursuppe in "normale" Materie bisher stets mit der Kondensation verglichen, der Umwandlung von Dampfpartikeln in Wassertropfen.

Die Urknalltheorie geht davon aus, dass das Universum vor zwölf bis 15 Milliarden Jahren durch eine enorme Explosion, "Big Bang" genannt, entstanden ist. Dieser Urknall soll eine so hohe Temperatur und eine so hohe Energiekonzentration erzeugt haben, dass sich wenige Sekundenbruchteile später alle Quarks in einer Art frei schwebendem Zustand befanden, bevor sie die Atomkerne bildeten. Bereits seit 1994 haben Cern-Forscher in Zusammenarbeit mit anderen Physikern versucht, diesen Zustand durch einen "Little Bang" zu rekonstruieren, was nun endlich gelungen ist.

Was vor der Entstehung der "Quarks-Ursuppe" geschah, konnte allerdings in Experimenten bislang nicht rekonstruiert werden und bleibt daher nach wie vor graue Theorie.