Das komplexe Denken der Bienen

Bienen sind klüger als bisher angenommen. In Verhaltensexperimenten zeigten die Honigsammler die Fähigkeit, so abstrakt zu denken, wie es Forscher bisher nur Wirbeltieren zugetraut hatten.

Die Insekten sind demnach im Stande, auch ein komplexes System von Wegmarkierungen zu verstehen und anzuwenden. Sie können die Kategorien "gleich" und "anders" unterscheiden und sich danach richten. Das berichten Wissenschaftler der Freien Universität Berlin, der Universität Paul Sabatier im französischen Toulouse und der Australian National University, Canberra, veröffentlicht im britischen Fachjournal "Nature" (Bd. 410, S. 930, 2001) vom Donnerstag.

Schnelles Auffassungsvermögen

Längst ist bekannt, dass Bienen lernen, auf eine bestimmte Farbe zuzusteuern, wenn sie dort mit Zuckerwasser belohnt werden. In den neuen Versuchen flogen die Insekten durch eine Y-förmige Röhre, an deren Eingang sie ein Farbsignal passierten. An der Verzweigungsstelle war ein Gang mit derselben Farbe markiert, der zweite andersfarbig.

Rasch begriffen die Tiere, dass Zuckerwasser stets am Ende der Röhre auf sie wartete, die die gleiche Farbe trug wie der Eingang. Auch mit einer neuen Farbkombination folgten sie dem erlernten Schema.

Wie gut die Bienen sehen können

Bienen können ihre Augen nicht bewegen. Jedes Bienenauge ist aus 5.000 kleinen Facettenaugen zusammengesetzt. Die Biene kann ein Quadrat von einem Kreis oder einem Dreieck nicht unterscheiden.

Bienen können nur stark gegliederte Gegenstände unterscheiden wie z.B. einen Stern mit sechs langen Zacken von einem Kreuz. Sie sehen jedoch schnell aufeinander folgende Bilder zehn Mal besser als Menschen. Eine Biene sieht erst gleichmäßige Bewegungen, wenn 200 Bilder in einer Sekunde aufeinander folgen. Bienen können auch Farben sehen, jedoch können sie die Farbe Rot nicht erkennen. Rot ist für eine Biene tief grau. Dafür können Bienen ultraviolettes Licht wahrnehmen.

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Gelerntes mühelos übertragen

Wurden die so trainierten Bienen danach mit grafischen Mustern statt der Farbkleckse konfrontiert, etwa einer Auswahl zwischen senkrechten und waagerechten Streifen, konnten viele die gelernte Lektion mühelos auf die neue Situation übertragen: Etwa drei Viertel der Tiere flogen bei der Gabelung in die Abzweigung, die mit dem gleichen Muster markiert war wie der Eingang.

Und auch auf Gerüche konnten sie das einmal Gelernte anwenden: Sie folgten dem Duft, den sie am Eingang wahrgenommen hatten.

Vorliebe für den kleinen Unterschied

Andersherum funktionierte das Experiment genauso gut. Den Bienen wurde in diesem Fall beigebracht, dass die Farbe zum Zucker führt, die am Eingang nicht zu sehen war.

Prompt zeigten die Tiere künftig eine Vorliebe für den kleinen Unterschied: Sie folgten nun auch dem jeweils anderen Streifenmuster oder dem abweichenden Geruch. Sie hatten also "begriffen": Es gilt, dem Signal nachzufliegen, das von dem zuerst wahrgenommenen abweicht.

Versuche widersprechen bisherigen Annahmen

Diese Versuche widersprechen bisherigen Annahmen, dass vor allem Primaten in den Kategorien "gleich" und "verschieden" denken können. Schon Insekten mit ihrem vergleichsweise einfach strukturierten Nervensystem sind offenbar dazu in der Lage.

Da diese sich weit einfacher untersuchen lassen als die Gehirne von Wirbeltieren, bestehe eine realistische Chance, zu verstehen, welche Mechanismen dieser Fähigkeit zu Grunde liegen, hoffen die Biologen.

Institut für Neurobiologie der Freien Universität Berlin

Center for Visual Sciences der National Australian University