Chandra liefert Traumbilder

Die ersten Bilder des bisher teuersten und schwersten Röntgenteleskops im All sind spektakulär. Unter anderem zeigen sie ein sechs Milliarden Lichtjahre entferntes Objekt.

Washington - Die US-Raumfahrtbehörde Nasa demonstrierte am Donnerstag die ersten Aufnahmen ihres Weltraum-Super-Teleskops Chandra, das seit Juli diesen Jahres in einer elipsenförmigen Umlaufbahn bis zu 135.000 Kilometer weit entfernt um die Erde fliegt.

Das eine Foto zeigt sehr detailliert Kassiopeia A, den Überrest einer riesigen Sternen-Explosion, die vor 320 Jahren stattgefunden hat.

Das andere Foto verdeutlicht die extreme Leistungsfähigkeit des Röntgenteleskops: Darauf zu sehen ist Röntgenstrahlung, die von einem sechs Milliarden Lichtjahre entfernten sternenähnlichem Objekt, einem so genannten Quasar, stammt. Die Energie des Quasars ist mit der schwer vorstellbaren Power von 10 Billionen Sonnen vergleichbar und soll von einem riesigen Schwarzen Loch im Zentrum des Quasars stammen.

"Als ich die erste Abbildung sah, wusste ich, dass ein Traum Wirklichkeit wurde", sagte der am Chandra-Projekt beteiligte Wissenschaftler Martin Weisskopf. Chandra könnte die Astronomie revolutionieren, prohezeite Nasa-Experte Edward Weiler. Das Teleskop werde dabei helfen, die faszinierende Theorie zu bestätigen, "dass wir von den Sternen kommen", so der Harvard-Professor für Astronomie Robert Kirshner.

Die spektakulären Chandra-Fotos wurden am Beginn der sechswöchigen Versuchsphase für das Teleskop gemacht. Chandras Aufgabe wird es sein, Fotos von explodierenden Sternen zu machen und ferne Quellen kosmischer Röntgenstrahlen wie Quasare und Schwarze Löcher aufzuspüren. Die Daten sollen den Wissenschaftlern helfen, die Struktur und Evolution des Universums zu erforschen. Das eineinhalb Milliarden Dollar teure Teleskop ist für einen fünfjährigen Einsatz im All vorgesehen und wird von einer Bodenkontrollstation in Alabama gesteuert.

Washington - "Die Galerie der Chandra-Fotos von Supernoven gibt uns jede Menge Stoff zum Nachdenken. Wir sehen viele Dinge, von denen wir vermutet hatten, dass sie dort sein müssten, aber auch andere Dinge, die wir nie erwartet hätten. Es ist großartig!"

Fred Seward vom Harvard-Smithsonian-Center für Astrophysik in Cambridge im US- Bundesstaat Massachusetts ist von den neuesten Aufnahmen des leistungsstärksten Röntgenteleskops der Welt begeistert. Er und seine Kollegen hatten vor mehr als einem Jahrzehnt zwei der jetzt fotografierten Supernoven mit Chandras Vorgänger, dem Einstein-Teleskop, entdeckt. Die Freude über die viel detailreicheren Chandra-Aufnahmen der Sternenexplosionen ist groß, da nun einige bisher unbeantwortet gebliebene Fragen beantwortet werden können. Die Daten des Chandra-Teleskops werden den Astrophysikern dabei helfen, Supernoven besser zu verstehen, sagte Seward.

E0102-72 ist die Bezeichnung für eine Supernova in der Kleinen Magellanischen Wolke, einer Galaxie, die 190.000 Lichtjahre von der Erde entfernt ist. E0101-72 ist ungefähr tausend Jahre alt und stellt die Überreste einer großen Sternenexplosion dar. Die Explosion hat eine Art riesiges flammendes kosmisches Rad entstehen lassen, das einen Durchmesser von ungefähr 40 Lichtjahren hat.

Unter dem Begriff Supernova werden zwei verschiedene Arten von Sternenexplosionen subsumiert: Entweder stammt eine Supernova von der Explosion eines dunklen, planetengroßen Sterns, der seine Materie ins All schleudert, oder aber von der eines großen Sterns, der einen Gravitationskollaps erlitten hat und von dem letztlich "nur" ein Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch übrig bleibt.

Dank Chandra sei jetzt klar, dass E0102-72 das Ergebnis einer Sternenexplosion vom ersten Typ sei, so Seward.

Die Supernova G21.5-0.9 ist auf dem zweiten Chandra-Foto abgebildet. Sie ist ungefähr 16.000 Lichtjahre von der Erde entfernt und stellt die Reste einer Sternenexplosion dar, die vor ungefähr 40.000 Jahren stattgefunden hat. Das Chandra-Foto zeigt eine helle Gaswolke im Zentrum des Gebildes, umgeben von einer größeren, weniger dichten Wolke. Im Zentrum der inneren Wolke befindet sich wahrscheinlich ein schnell rotierender Neutronenstern, der als mächtiger Energiegenerator fungiert. Seward beschreibt, dass der Neutronenstern eine Energiemenge produziert, die mit dem Output von mehr als tausend Sonnen vergleichbar ist.

PSR 0540-69, ein bereits bekannter Pulsar, ist ebenfalls vom Nasa-Teleskop fotografiert worden. Das Objekt befindet sich in der Großen Magellanischen Wolke, ungefähr 180.000 Lichtjahre von unserem Planeten entfernt, und ist das energiereiche Überbleibsel eines Sternenkollapses.

Pulsare sind extrem schnell rotierende Neutronensterne, die in regelmäßigen Abständen Radiowellen, Licht und Röntgenstrahlung weit ins Weltall ausstrahlen. Die Rotationsdauer der Pulsare entspricht ihrer Pulsperiode, und durch die starken Magnetfelder der Pulsare werden die vom Stern als Plasmawolke abströmenden Teilchen nahezu auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Die dadurch freigesetzte Strahlung überstreift auf Grund der Rotation des Neutronensterns periodisch unseren Planeten.

PSR 0540-69 braucht für eine komplette Rotation nur eine 21stel Sekunde. Der Pulsar ist ungefähr tausend Jahre alt. "Das Chandra-Foto gibt uns eine bessere Vorstellung davon, wie diese Energiequelle arbeitet", so Stephen Murray, Forschungsdirektor bei der Entwicklung der hochauflösenden Röntgenkamera an Bord des Chandra-Teleskops.

Martin Weisskopf vom Nasa-Weltraumzentrum in Alabama sagte, die neuen Chandra-Fotos zeigten, dass das Teleskop ausgezeichnet arbeite, trotz des Problems, über das in der letzten Woche berichtet worden war. Allerdings sei die Ursache der Funktionsstörung noch nicht vollständig geklärt. Die Datenmenge, die Chandra täglich sammeln kann, sei momentan geringer als geplant.