Bush gegen Busch

USA. Das neue Amerika hat die Umweltpolitik und den Konsumentenschutz so gut wie abgeschafft. Das ökologische Sündenregister des Präsidenten.

Von Sibylle Hamann

Kioto-Vertrag: Wer im Treibhaus sitzt

Die USA sind für ein Viertel jener Schadstoffemissionen verantwortlich, die zur Erderwärmung und zum globalen Treibhauseffekt beitragen. Es war 1997 schwierig genug, über hundert Länder auf den so genannten "Kioto-Vertrag" zu verpflichten, der eine Reduzierung dieser Emissionen um fünf Prozent bis 2012 vorsieht. Umso schmerzlicher ist nun die Weigerung des US-Präsidenten, dieses Versprechen auch einzuhalten. "Amerika kommt zuerst", erklärte George Bush, und in Zeiten einer drohenden Rezession werde er "nichts tun, was der amerikanischen Wirtschaft schadet".

Zum Beispiel: Ist Kohlendioxid ein Schadstoff? Ja, hatte Bush noch im Wahlkampf gesagt und versprochen, Kraftwerken strengere Emissionsvorschriften aufzuerlegen. Nein, sagt er jetzt und will von Beschränkungen nichts mehr wissen. "Ich habe neue wichtige Erkenntnisse gewonnen", erklärt er seinen Stimmungswandel.

Die Europäer verstehen das als Kriegserklärung. "Sabotage", nennt es die französische Umweltministerin Dominique Voynet, "unverantwortlich, provokant und arrogant".

Mehrere Krisenbesuche europäischer Politiker haben nichts genützt. Der Rest der Welt will, trotz der amerikanischen Weigerung, die Umsetzung der hehren Kioto-Ziele im Alleingang angehen. Doch "die Sturheit der USA wirft uns um Jahre zurück", sagt Margot Wallström, Umweltkommissarin der EU.

Energiepolitik: Zu heiß, zu kalt

Der Durchschnittsamerikaner verbraucht doppelt so viel Energie wie der Durchschnittseuropäer. Nicht, dass er deswegen einen messbar höheren Lebensstandard hätte. Bloß kann er ohne das heimelige Surren der Klimaanlage nicht schlafen, liebt gefräßige Autos und beleuchtet seine Hausfassade am liebsten wie einen Ganzjahres-Weihnachtsbaum. Strom und Benzin sind in den USA billig. Die Energiekrise, die im High-Tech-Land Kalifornien für stundenlange Stromausfälle sorgt, weil die maroden Kraftwerke mit dem Produzieren nicht nachkommen, ist bloß ein Symptom: Fast 30 Prozent des Stroms werden dort im Sommer von Klimaanlagen verbraucht.

Was tut man, wenn die Energie nicht reicht? Sparen? Nein, im Gegenteil. Bill Clinton hatte, so als wolle er seinen Nachfolger ärgern, in den letzten Wochen seiner Amtszeit noch schnell neue Energiespar-Richtlinien herausgegeben: Ab 2006 sollten Klimaanlagen um 30 Prozent effizienter arbeiten, Waschmaschinen um 35 Prozent, Warmwasserpumpen um neun Prozent. Das Energieministerium will diese Bestimmungen nun wieder abschaffen. Sie seien "übertrieben" und "zu teuer". Die Industrie hatte Kosten von fünf Milliarden Dollar befürchtet.

Ja, es gebe eine Energiekrise, gibt George Bush zu. Sein Energieminister Spencer Abraham sieht gar "den Wohlstand und die nationale Sicherheit bedroht". Bloß wollen sie der Knappheit beikommen, indem einfach mehr Energie produziert wird. Die ohnehin großzügigen Auflagen für Kraftwerke, Raffinerien und Bergbau werden gelockert, außerdem sollen, wo es eben geht, neue Rohstoffvorkommen erschlossen werden.

Trinkwasser: Arsen im Glas

Was aus amerikanischen Wasserleitungen kommt, hielte jeder hochquellverwöhnte österreichische Konsument für eine Zumutung. Ändern wird sich das in absehbarer Zeit allenfalls zum Schlechteren. Die Clinton-Regierung hatte die 60 Jahre alten Arsen-Grenzwerte im Trinkwasser von 50 Milliardstel auf zehn Milliardstel gesenkt. Die neue Regierung hob diese Regelung nun wieder auf.

Die öffentliche Infrastruktur, warnte jüngst die amerikanische Ingenieurs-Gesellschaft, liege generell im Argen, besonders überholungsbedürftig seien die oft noch aus dem vorletzten Jahrhundert stammenden Wasserrohre. 40 Prozent der Durchfall- und Viruserkrankungen haben ihre Ursache in der mangelnden Trinkwasserqualität, schätzen Experten; in Städten wie Las Vegas wird Konsumenten empfohlen, das Wasser vor Genuss abzukochen. Statt Filtern setzt man überall auf große Mengen Chlor.

13 Millionen Amerikaner haben zu viel Arsen in ihrem Wasser, der neue Grenzwert hätte 3000 Gemeinden dazu gezwungen, ihre Systeme nachzurüsten. Das sei unzumutbar teuer, sagte Bushs Umweltministerin Christie Whitman; außerdem sei "nicht geklärt, ob der niedrigere Grenzwert überhaupt notwendig ist".

Arsen fällt als Nebenprodukt im Bergbau an und erhöht, wie Umweltschützer mit Studien zu belegen versuchen, das Lungen- und Blasenkrebsrisiko. Demokratische Politikberater wie Stan Greenberg (zuletzt auch im Wiener Wahlkampf für Bürgermeister Michael Häupl aktiv) wollen die Substanz nun zum Symbol für Bushs Umweltsünden machen: "Arsen ist ein Gift", sagt er, "das versteht jeder. Daraus kann man leicht eine Kampagne mit Rufzeichen machen."

Ölindustrie: Ausgerechnet Alaska

Das wichtigste Energieprojekt, das Bush im Wahlkampf ankündigte, ist, in der unerschlossenen Weite Alaskas mehr Öl und Gas zu fördern sowie den dortigen Kohleabbau auszuweiten. Derzeit gehört die weitläufige Küstenebene, das "Arctic National Wildlife Refuge", dem Staat und ist, wie der Name verrät, ein Natur- und Tierschutzgebiet. 40 Prozent der Öl- und Gasvorräte lägen unter derartigen geschützten Landstrichen, auf die die Industrie keinen Zugriff habe, klagte der Energieminister.

George Bush senior hat in der texanischen Ölindustrie ein Vermögen gemacht; Junior war in derselben Branche weniger erfolgreich. Die großen Ölkonzerne haben ihn im Wahlkampf jedoch mit großzügigen Beträgen unterstützt; seine Kritiker unterstellen, er sei dieser Lobby hörig. "Mir ist egal, wo Öl und Gas herkommen, solange wir genug davon kriegen", hat Bush ihnen versprochen. Die Unternehmen haben es vor allem auf die Beaufort Sea abgesehen, die das Tor zur weiteren Erschließung des Arktischen Ozeans öffnen soll. Diese Pläne der Regierung stoßen jedoch auf Widerstand. Eine Mehrheit der Bevölkerung hat Mitleid mit den im Naturpark nistenden Vögeln und den niedlichen Karibus, 500 prominente Wissenschaftler haben einen Protestbrief unterschrieben. Die Demokraten, die in Senat und Repräsentantenhaus nur knapp in der Minderheit sind, legen sich quer. Der Kongress hält, trotz des massiven Lobbyings der Industrie, eine Bewilligung für unwahrscheinlich. Bush scheint, zumindest im Fall Alaska, klein beizugeben: "Dann müssen wir eben woanders suchen", sagt er und hat die Northwest Territories im benachbarten Kanada im Auge.

Gentechnologie: Gefährliche Cornflakes

Lange hat den Amerikanern die gentechnische Veränderung von Lebensmitteln keine besonderen Sorgen gemacht. Seit dem so genannten "StarLink"-Skandal im vergangenen Herbst hat sich das ein bisschen geändert.

StarLink-Mais ist eine gentechnisch manipulierte Sorte, die nur als Tierfutter, nicht jedoch für den menschlichen Konsum zugelassen ist. Die Food and Drug Administration (FDA), die US-Gesundheitsbehörde, schloss Gesundheitsschäden, insbesondere Allergien, durch StarLink nicht aus. Konsumentenschützer untersuchten hunderte handelsübliche Produkte und fanden überall StarLink-Spuren - sogar in renommierter Markenware wie Kellogs Cornflakes.

"Die FDA ist nicht in der Lage, die Konsumenten zu schützen", klagte Greenpeace und startete eine landesweite Kampagne, um die Hersteller zu Tests und genaueren Kontrollen zu zwingen. Die FDA jedoch geht nun einen Schritt in die entgegengesetzte Richtung: Die neuen, im Januar veröffentlichten Bestimmungen sehen weder Tests vor noch die Verpflichtung, gentechnisch veränderte Zutaten auf dem Etikett anzugeben.

Umweltministerin Whitman, fürchten die Öko-Krieger, könnte den einfachsten Weg gehen und Produkte wie StarLink kuzerhand auch für den menschlichen Genuss zulassen. Erstes Indiz dafür sind ihre Personalentscheidungen: Ihre Stellvertreterin Linda Fisher war lange Managerin beim führenden Biotechnologie-Konzern Monsanto.