Informatik: »Ein Bomben-Rechner«

Ein Physiker berechnete die absoluten Leistungs-Grenzen von Computern

Alle eineinhalb Jahre werde sich die Geschwindigkeit elektronischer Rechner verdoppeln - so lautete vor vier Jahrzehnten die Vorhersage des Amerikaners Gordon Moore. Bis heute hat Moore, einer der Gründungsväter des Chip-Produzenten Intel, Recht behalten.

Spätestens in 200 Jahren aber wird Schluss sein, meint der amerikanische Physiker Seth Lloyd vom Massachusetts Institute of Technology. Dann werden - das Mooresche "Verdopplungsgesetz" vorausgesetzt - die Rechner an der absoluten Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angelangt sein. Das zumindest ist das Ergebnis von Lloyds Berechnungen.

Ob diese Ultra-Computer überhaupt zu realisieren sind, hat Lloyd nicht interessiert. "Es spielt keine Rolle, ob man mit Vakuum-Röhren oder Transistoren rechnet, ob man Quarks oder Gluonen oder sogar so etwas Exotisches wie Superstrings benutzt", meint der Physiker. Jede Maschine unterliegt den Gesetzen der Physik, ob sie nun als Bio-Computer mit DNS-Molekülen oder als optischer Computer mit Licht rechnet. Also muss man allein aus den Gesetzen der Physik - Quantenmechanik, Thermodynamik und Relativitätstheorie - auch auf deren Grenzen schließen können.

Lloyd ging in seinem Gedankenexperiment von einem, wie er es nannte, ultimativen Laptop mit einer Masse von einem Kilogramm und einem Volumen von einem Liter aus. Und er stellte dieselben Fragen wie jeder, der sich einen Rechner kaufen will: Wie schnell ist das Ding, wie groß ist sein Speichervermögen?

Die begrenzende physikalische Größe für die Schnelligkeit - die Rechengeschwindigkeit - ist laut Lloyd die Energie. Je mehr davon ein Computer zur Verfügung hat, desto mehr logische Operationen pro Sekunde kann er ausführen. Jeder, der schon mal versucht hat, die Geschwindigkeit seines PCs zu erhöhen, weiß, wie heiß der Prozessor dadurch werden kann.

Auf der Suche nach der Grenzgeschwindigkeit berechnete Lloyd die maximale Energie, die man aus einem Ein-Kilo-Laptop herausholen kann. Ergebnis: 8,9*1016 Joule oder 25 Milliarden Kilowattstunden - die Jahresproduktion von zwei Kernkraftwerken. Um diese Energie zu erzeugen, müsste man allerdings die Laptop-Masse in einer apokalyptischen Explosion in eine Blase reiner Energie umwandeln - so folgt aus Einsteins berühmter Formel E=mc2. Das kann dann ziemlich heiß werden auf dem Lap (Schoß). Doch katapultiert diese Energie den Laptop auf eine irrwitzige Geschwindigkeit von 5,4*1050 Rechenoperationen pro Sekunde.

Wie viel Speicherplatz, also wie viele Bits wird dieser Endzeit-Rechner zur Verfügung haben? Die begrenzende physikalische Größe dafür ist nach Lloyd die Entropie, also das Maß an Unordnung. Je höher die Entropie eines Systems von Teilchen, desto mehr verschiedene Zustände können diese annehmen und als Speicher adressiert werden. Wasser etwa hat in Form von Eis eine niedrigere Entropie als im dampfförmigen Aggregatzustand. Die Atome im Eis sind fest und geordnet im Kristallverband eingebunden; als Dampfmoleküle schwirren sie ungeordnet in alle Richtungen.

Für seinen ultimativen Laptop berechnete Lloyd eine Speicherkapazität von 2,13*1031 Bits, eine Milliarde Billionen mal mehr als heutige Laptops verarbeiten können.

Für diejenigen, die auch mit einer geringeren Speicherfähigkeit zufrieden sind und ihre Laptops nicht in einer Wolke von Energie vergehen sehen wollen, hat Lloyd ein alternatives Gedankenexperiment parat. Darin geht er von der Erkenntnis aus, dass die Rechengeschwindigkeit von der Länge der Leitungswege im Rechner und von der Lichtgeschwindigkeit abhängt, mit der sich die Signale höchstens ausbreiten können.

Da man die Lichtgeschwindigkeit als Naturkonstante nicht vergrößern kann, muss man die Wege verkürzen - indem man den Rechner mehr und mehr verdichtet, bis er kleiner ist als 10-27 Meter. Dann liegt seine Größe unterhalb des so genannten Schwarzschild-Radius, und die Dichte ist so gewaltig, dass nicht einmal mehr Licht aus dem Gebilde entkommen kann. Der Rechner verwandelt sich in ein Schwarzes Loch. Das wäre für manche PC-Besitzer nichts Neues, erleben sie doch häufig, dass ihr Rechner zwar Daten schluckt, aber nicht wieder ausspuckt. Dafür erreicht er auch die Geschwindigkeit von 5,4*1050 Operationen pro Sekunde. Allerdings ist die Entropie eines Schwarzen Laptop-Loches niedriger als diejenige des verdampfenden Laptops - und entsprechend geringer das Speichervermögen: nämlich "nur" 3,8*1016 Bits.