Aus Nord mach Süd

Amerikanische Geophysiker haben im Computermodell die Umpolung des Erdmagnetfeldes simuliert.

Eigentlich eine verrückte Vorstellung: Da breitet der eiserne Kern tief im Erdinnern einen unsichtbaren Schirm über dem Planeten aus, der uns vor einem Hagel kosmischer Teilchen schützt. Denn das vom Kern ausgehende Magnetfeld fängt die geladenen Teilchen weit draußen im All ein und leitet sie um die Erde herum. Wie dieses Magnetfeld sich bildet, ließ die Forscher indes lange Zeit ratlos, war selbst für Albert Einstein eine der ungelösten fundamentalen Fragen in der Physik. Seitdem haben die Geowissenschaftler zwar neue Ansatzpunkte zur Erklärung des verzwickten Problems gefunden - sind aber auch auf neue Komplikationen gestoßen. Die verblüffendste Entdeckung machten sie in Gesteinen, in denen das Magnetfeld früherer Zeit gewissermaßen eingefroren ist: Im Laufe der Erdgeschichte haben die beiden Magnetpole in Nord und Süd ihre Polarität vielmals miteinander gewechselt. Als Entstehungsort des Feldes gilt heute der äußere Erdkern aus flüssigem Eisen, der - umhüllt vom Erdmantel - einen festen Eisenkern umgibt. Wärme aus letzterem bringt das flüssige Eisen in Wallung. Die Konvektionsströme, die beim Wärmetransport entstehen, sind vermutlich die Hauptursache des Magnetismus. Wie dieser Geodynamo im einzelnen funktioniert, sucht eine komplizierte Theorie mit noch komplizierteren Formeln zu erklären. Da bislang kein physikalisches Experiment möglich erscheint, mit dem die Theorie überprüft werden könnte, bleibt als Ausweg nur, anhand von Computersimulationen zu testen, ob sich im Modell die an der Erdoberfläche registrierten Erscheinungen einstellen. Dazu gehören die häufigen Schwankungen des Magnetfeldes und die Wanderung der Magnetpole auf dem Globus, als größte Herausforderung aber die Umpolungen des Feldes. Solch einen Wechsel der Polarität konnten jetzt die amerikanischen Geophysiker Gary Glatzmaier vom Los Alamos National Laboratory in New Mexico und Paul Roberts von der University of California in Los Angeles in ihrer Rechenmaschine nachvollziehen. Glatzmaier und Roberts haben ihre dreidimensionale mathematische Simulation mit allen Daten - Meßgrößen, Kräfte, Strömungsmuster usw. - ausgestattet, die über den Geodynamo bekannt sind oder als Annahme plausibel erscheinen. Auf einem Supercomputer vom Typ Cray C-90 ließen sie ihr Modell 2000 Stunden lang laufen und legten dabei im Zeitraffer 40 000 Jahre zurück. Nach rund 35 000 Jahren trat das ersehnte Ereignis tatsächlich ein: Innerhalb von wenig mehr als 1000 Jahren wurde der Nordpol zum Südpol und umgekehrt. Die Forscher haben viel Glück gehabt. Denn in der irdischen Wirklichkeit ist es zwar schon nach einigen 10000 Jahren, im Durchschnitt aber nur alle paar hunderttausend Jahre zu einer Umpolung gekommendie bislang letzte liegt mehr als 700000 Jahre zurück. In der Kreidezeit vergingen einmal sogar 35 Millionen Jahre bis zu einem Wechsel. So wäre denn Glatzmaier und Roberts womöglich die teure Computer-Zeit ausgegangen, bevor sich die Brauchbarkeit ihres Modell durch eine Umpolung bestätigt hätte.